Die Schatten von La Rochelle
keuchend und immer noch viel zu laut m it einem Redestrom überfiel.
»Mada m e, ich weiß, Ihr werdet m i r nie v erzei h en, aber es ist m i r gleichgültig. Ich bin gerade erst n ach Paris z u rüc k gekehrt… und was ich in Pauls Zimmer gefunden habe… Ihr müßt… wißt Ihr, was Paul… Er hat… wißt Ihr, warum m e in Vater ihn verstoßen hat ? «
»Ich weiß, daß er in La Rochelle w ar«, entgegnete Mada m e in einem Tonfall, als beruhige sie ein Kind, das sich das Knie aufgeschlagen hatte, »und auch, daß er dort m it ein e m bürgerlichen Mädchen verheiratet war.«
»Ja, aber das war nicht der e i gentliche Grund. Oh, Vater w ar wütend. Aber nach dem Jahr der Belagerung, bei all de m , was wir über La Rochelle hörten, hätte er schon aus Stein sein m üssen, um nicht weich zu w erden. Also ging er m it den Abgesandten des Herzogs von Rohan zu den königlichen Truppen, und sowie m an die Stadt betreten konnte, war er dort, um Paul zu suchen und ihm zu sagen, daß er ihm verziehen habe. Mada m e, er kam aus der S t adt zurück und sagte, P aul sei Kain und dem Teufel anheim g e fallen. Ich habe da m als nicht verstanden, was er m e i nte, ich dachte, es sei eine ihrer gewöhnlichen Streitereien oder im m er noch die unstandesge m äße Ehe. Ich war noch ein Kind. Aber i m Frühling, als Ihr im Süd e n wart,
habe ich meine Großtante Rohan besucht, und sie hat mir erzählt, was in La Rochelle passiert ist.«
Er hielt inne, um nach Atem zu ringen. »Sie hat es auch gesehen, Mada m e. Als m ein Vater Paul fand, war seine Frau tot, sein Kind war tot, und sein F r eund war… Sie sagte, er m uß ihn zerfleischt haben wie ein wildes Tier. Er war vollkom m en verrückt danach. Und als er körperlich wieder zu Krä f ten gekommen war, verschwand er. W ir haben l ange nichts von ihm gehört, dann ab und zu ein paar Briefe erhalten, m eistens aus dem K a iserreich o d er Italien, also dachte ich, er wäre Söldner geworden, wie so viele Verbannte. Aber ich habe m i ch inzwischen erkundigt. Nie m and kennt einen Paul d’Irsd m asens. Ich weiß nicht, was e r getan h at, aber, Ma da m e, nach de m , was er gesagt hat… Ich glaube, er ist im m er noch verrückt.«
Charlotte hatte ihre Herrin schon i mm er etwas bleich gefunden, a ber sie stellte fest, daß Mada m es gewohnte Blässe nichts gegen die aschfahle G esic h tsfarbe war, die sie j e tzt hatt e . Sie s e lbst erinn e rte sich jetzt auch an etwas, das ihr seinerzeit im Louvre a ufgefallen war, und warf nun ein: »Mada m e, ich weiß nicht, ob Monsieur d’Irsd m asens verrüc k t ist, aber ich hatte ihn schon ein m al gesehe n , bevor Ihr ihn kennengelernt habt, meine ich. An dem Morgen, als Ihr m ich eingestellt habt, stand er, g e nau wie ich, lange vor dem Palais. Ich glaube, er m uß Euch an dem Tag gefolgt sein, Mada m e, aber ich dachte b is j e tzt, e s wäre, weil er sich in Euch verliebt hat.«
»Paul d’Irsd m asens«, sagte Mada m e m it einer Stim m e, die hart und klirrend klang wie zerbrechend e s Glas. Dann fragte sie den jungen Irsd m a s ens plötzlich etwas, d a s scheinbar nichts m it der ganzen Angelegenheit zu tun hatte.
»Raoul, wie hieß Eure Mutter ? «
Er war verwirrt genug, um sofort und ohne Rückfrage zu antworten.
»Anne.«
»Ich neh m e nicht an«, sagte Paul, »daß Ihr Euch an m i ch er innern könnt, Monseigneur, außer vielleicht als an den Musketier, der den König um einen Sänftenträger brachte.«
Er hätte es vorgezogen, wenn der Mann, der vor ihm lag, bei voller Gesundheit gewesen wäre, aber die ausreichende geistige Klarheit war ihm wichtig e r .
»Laßt m i ch raten«, entgegnete der Kardinal kühl. Er verfügte über eine be m erkenswerte K altblütigkeit, wenn m an bedachte, daß i h m ein Mes s er an der Kehle saß, aber auch das e n tsprach Pa ul s Erwartungen.
»Ihr seid außerdem der Mann, der eigentlich von m ein e m Freund Olivares für den Anschlag vorgesehen war und der für den um diese Uhrzeit m it Sicherheit schon dahin g eschiedenen Monsieur le Grand den Sündenbock hätte spielen sollen. Statt dessen habt Ihr Eurerseits die gesa m t e Verschwörung als Deckung und Ablenkung benutzt. Sehr eindrucksvoll, Monsieur.«
»Es gibt in m ein e m Be r uf nichts Schlim m eres, als sich m it inko m petenten Auftraggebern einzulass e n. Ihr werdet den Beruf erraten haben, Monseigneur, aber I h r w i ß t v i e l l e i c h t ni ch t , d aß i ch i h n Eu ch zu verdanken habe. Ihr habt Euch
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