Die Schatten von La Rochelle
f ä h rtin h aben wollte. Das braune Mädchen, Mama, ich will das br a une Mädchen haben!
»Charlotte Dieudonnée. Ich neh m e an, du bist Waise ? « unterbrach Marie de Vignerot ihre Gedanken.
»Ja, Mada m e«, erwiderte Charlotte einsilbig und dachte erbittert, daß sie vermutlich von Glück sagen konnte, wenn m an sie nicht als Sklavin, so n dern als Bedienstete einstu f t e. W a hrschei n lich hatte sie das ihrem Na m en zu verdanken; »Dieudonnée«, gottgegeben, nannte m an bei der Taufe all die Kinder, die auf kirchlichen Schwellen ausgesetzt wurden, und Charlotte m ußte getauft worden sein und in einem Spital ihre ersten L ebensjahre verbracht haben, auch w enn sie kaum noch etwas davon wußte. Sonst hätte sie sich nic h t an diesen N a m en erinnern können, als Annette sie da m als danach fragte. Und Sklavenkinder taufte m an nicht.
Das Schweigen zwisc h en ihr und der Herz o gin von Aiguill o n dehnte sich aus, bis es beinahe in der Luft zu spüren war. Charl o tte gab die Hoffnung auf, hier eingestellt zu werden oder bei irgendeiner anderen D a m e. Sie hatte es in den letzten Monaten bei allen versucht, die sie durch Annette d’Elbeuf kannte, und bei einigen, von denen sie nur den Na m en wußte, u nd hatte äh n liche Gespräche m it vielen Haushof m eistern geführt, bis sie schließlich verzweifelt genug war, um auf Le Vals Angebot einzugehen.
Was wißt Ihr schon davon, dachte sie, und erwiderte den Blick der Herzogin z u m ersten m al m it gleicher Intensität, was wißt Ihr schon davon, wie es ist, auf ein m al auf d e r Straße zu stehen und alles verloren zu haben, alles. So etwas geschieht Da m en Eures Standes nicht. Wenn Annette von de m s elben Mann schwanger geworden wäre, hätte m an sie höchstens etwas schneller verheiratet.
Sie be m erkte, daß sich ihre Hände über dem B a uch ineinander verkra m pft hatten. Über ihrem flachen, harten Bauch. Sie hatte ihr gutes Kleid, das ihr Lucile hei m lich gegeben hatte, verkaufen m ü ssen, um die Engelmacherin zu bezahlen, u nd das g o l d ene Kreuz um ihren Hals, um sich zu ernähren. W enn je je m and erfuhr, daß sie bei einer Engel m acherin gewesen war, dann konnte sie gleich zurück ins Gefängnis gehen. Aber C harlotte wäre lieber gestorben, als Enghiens Kind zur Welt zu bringen.
»Gut«, sagte die Herz o gin von Ai g uillon kna p p. »Ich werde dich einstellen, zunächst auf eine P r obezeit von sechs Monaten. W ende dich anschließend an Monsieur Dupont, er ist der Haushof m eister und wird dir in Zukunft deinen Lohn auszahlen.« Sie nannte eine Sum m e, die der betäubten Charlotte er s t s p äter ins Bewußtsein drang. »Daß du dafür deine Pflicht tust, versteht sich von selbst, aber ich m uß dich darüber hinaus m it der wichtigsten Regel vertraut m achen, die f ür alle Ange st ellten hi e r g ilt. Es wird nicht g e red e t. Da m it m eine ich nicht, daß ihr untereinander nicht über das W e tter oder eure alltäglichen Obliegenheiten sprechen könnt, sondern daß ihr zu nie m and e m außerhalb dieses Haushalts ein W ort über Monseigneur, m ich oder irgendein a n deres M it g lied unse r er Fa m ilie v erlie r t. Mir ist gleichgültig, ob es sich nur um G e schwätz darüber handelt, was er zu Mittag ißt, oder wie oft er das Palais verläßt; wenn ich erfahre, daß du geredet hast, entlasse ich dich sofort.«
Charlotte fragte s i ch u n willkürli c h, was aus ihrer Vorgängerin geworden war; sie war immer noch zu überwältigt, um Freude oder Erleichterung zu e m pfinden, auch w enn ihr inzwischen klar geworden war, daß das, was die Herzogin von Aiguillon ihr an Gehalt zu zahlen beabsichtigte, mehr als das Doppelte von d e m war, was sie i m Haushalt der d’Elbeufs bekommen hatte, wenn m an Annettes Geschenke und ihre abgelegten Kleider nicht m itrechnete. Sie wußte, daß jetzt eine Reaktion von ihr erwartet wurde, also m u r m elte sie:
»Ich verstehe, Mada m e.«
Ein winziges Lächeln erschien auf Marie de Vignerots m armorkühlem Gesicht. »Dessen bin ich m i r sicher.«
Sie rührte sich, und die Katze sprang von ihrem Schoß. Ihre Röcke raschelten, als sie sich erhob. Sie weiß, was geschehen ist, dachte Charlotte fassungslos, irgendwie w eiß sie es, und wenn ich etwas über Annette oder die anderen gesagt hätte, dann stünde ich jetzt wieder auf der Rue Saint Honoré.
» W ann soll ich m einen Dienst beginnen, Mada m e ? « fragte sie leise. Die Herzogin hob eine Augenbraue. »Sofort nat ü
Weitere Kostenlose Bücher