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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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etwas anderes denken. Der verdammte Ceruttianzug - und alles, was mit ihm zusammenhing - verfolgte ihn bis in den Schlaf.
    Aber es gab doch auch noch etwas anderes. Vielleicht lag da die Antwort - oder wenigstens der Teil einer Antwort. Seine Kleidung war ein Schutz gegen die Unruhe, die ständig drohte, seinen Körper zu überwältigen.
    »Das wäre eine mögliche Deutung«, hatte Lotta zu ihm gesagt. »Das Problem ist nur, dass die ganze Maskerade dir in deinem Innern kaum hilft. Denk mal darüber nach, wenn du das nächste Mal deine Panzerhemden bügelst.«
    Die Wasserfläche schien von einer leuchtenden Schicht Silber bedeckt, die von unbekannter Hand über den See gestreut worden war. Sie blendete Winter, als er nach Norden blickte. Das Sonnenlicht blitzte auf den Bändern, die das Gelände absperrten, wo sie Helene gefunden hatten. Die Sonne war falsch, sie spielte mit allem, was ihre Strahlen erreichten, sogar mit dem befremdlichen Gefühl, das an einem Ort des Todes herrschte.
    Winter schritt über den ausgewiesenen Weg zum Baum und zum Rand des Moors. Um ihn herum zirpten die Grillen. Dies war der Klang der großen Hitze. Eine leichte Brise führte den modrigen Geruch des austrocknenden, dunklen Morasts mit sich. Winter sah niemanden, aber er wusste, dass sich rund um den See Polizisten bewegten, auf Spurensuche und auf der Jagd nach Augenzeugen, die in Ufernähe wohnten.
    Es war kurz vor Mittag. Von der Schnellstraße über und hinter Winter kamen nur wenige Motorengeräusche. Winter verharrte unter dem Baum. Er zählte zwanzig Grüntöne. Auch das Sonnenlicht auf den Blättern war grün. Selbst der Himmel im Osten, der durch die Lücken im Blattwerk leuchtete, wirkte grün. Nur das Symbol auf der Rinde, zwanzig Zentimeter von Winters Kopf entfernt, stach rot hervor. Unter der Farbe war der Stamm eingeritzt. Für Winter war dies eindeutig ein Symbol. Aber wofür? Er konnte ein »H« darin lesen, aber vielleicht nur, weil er es lesen wollte. Er fühlte, dass das Zeichen zu diesem Ort gehörte und zu dem, was hier geschehen war. Ein beängstigendes Gefühl.
    Als er wieder auf das Wasser blickte, war das Silber verschwunden, und auf der Oberfläche schien eine schwere grüne Masse zu treiben. Winter begriff, dass er einer optischen Täuschung zum Opfer fiel, aber in seinem Kopf hing auch das mit dem Baum und dem Graben dicht daneben zusammen, mit dem Mord, mit dem Schweigen.
    Winter lächelte beinahe. Knackten sie den Code, dann würde der Schrei über den See und das Moor hallen, würde den Lärm der Schüsse übertönen, die er jetzt vom Schießstand der Polizei jenseits des Sumpfes hörte. Überall waren Spuren. Spuren von Tausenden von Schritten. Aber es war unmöglich, den Boden sorgfältig zu untersuchen, da es nur stellenweise Boden gab. Das sumpfige Gelände hob und senkte sich, wälzte sich um, schuf sich neu. Spuren von Schritten, die einmal sichtbar waren, rutschten ab, glitten zur Seite, verschwanden unter Erde und Gras.
    Winter hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Die Silhouette eines Mannes bewegte sich auf ihn zu. Als er aus der Sonne in den Baumschatten trat, erkannte Winter, dass es Halders war.
    »Der Chef hat also Zeit, hier herumzustehen.« Halders hatte ein kurzärmliges Hemd an, das über die Hose hing, sein Gesicht, obwohl im Schatten, glänzte schweißnass an der hohen Stirn, die nach oben in Halders' Haarstoppeln verschwand. »Da hast du dir einen kühlen, stillen Platz ausgesucht.«
    »Kommst du aus Helenevik? Ich habe kein Auto gehört.«
    »Das steht da hinten«, erklärte Halders und wies auf die Stelle, als wollte er beweisen, dass er in der drückenden Hitze die fünf Kilometer nicht zu Fuß zurückgelegt hatte. »Ich vermute, dass es mir ging wie dir. Ich wollte die Stelle sehen, wo ich sowieso in der Nähe war.«
    »Ja.«
    »Es ist das erste Mal, dass ich hier bin.« Aus Halders' Mund klang das wie ein Vorwurf.
    Winter antwortete nicht. Er richtete den Blick auf den Baum.
    Halders kam näher. »Das ist also das verdammte Zeichen.
    Können das nicht Jugendliche hingeschmiert haben?« »Ja, klar. Wir müssen uns nur sicher sein können.« »Aber es steht fest, dass es wirklich Farbe ist?« »Ja.«
    »Es kann kein Blut sein?« »Nein.«
    »Aber das könnte doch der Sinn sein, dass es wie Blut aussehen soll«, meinte Halders. »Dass wir das denken.«
    »Möglich«, sagte Winter.
    »Findest du es wirklich einleuchtend, dass es mit dem Mord zusammenhängen soll? Mit

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