Die Schattenfrau
der toten Frau?« Halders hielt eine Hand hoch. »Nein, nein, du brauchst nicht zu antworten, ich denke bloß laut. Bestimmt sind oft Jugendliche hier. Die schmieren was an einen Baum, und dann geht ihnen die Farbe aus... Nein, sie werden überrascht... Sie wollen gerade ein Zeichen malen, es soll geheimnisvoll wirken, und jetzt sitzen sie da und fragen sich, ob wir es gefunden haben... Die fragen sich, warum wir nichts davon gesagt, nichts an die Zeitung gegeben, kein Foto davon veröffentlicht haben.«
»Die Jugend von heute weiß sehr wohl, dass wir Bullen einen Teil der Informationen zurückhalten, wenn es um Beweismaterial geht.«
»Daran hab ich nicht gedacht!« Halders schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Wie waren die Leute in Helenevik?«, fragte Winter. »Nett und freundlich.« »Ja?«
»Ein Paar in einer Supervilla versuchte mir 'nen Drink anzubieten.« »Nett, aber offenbar erfolglos?« »Ich habe gesagt, ich bin im Dienst.«
»Vielleicht ist dir so eine Gelegenheit entgangen, etwas wirklich Wesentliches zu erfahren.«
»Worüber? Soll ich noch mal hingehen?«
Winter zuckte die Achseln und grinste.
»Da wär noch was... Aber das spielt sich wohl nur in meiner Fantasie ab. Vielleicht bin ich ja schief gewickelt, wie es so schön heißt«, fuhr Halders fort.
»Ja?«
»Nichts. Das Klinkenputzen hier in der Gegend bringt wenig, wie ich es erwartet habe. Niemand will etwas gesehen oder gehört haben.«
»Dein Hundezüchter hat was gehört und gesehen«, hielt Winter ihm scherzhaft vor.
»Der ist doch nicht normal.«
»Mitunter sind uns solche Typen die beste Hilfe.«
Sie hörten gleichzeitig das Geräusch eines Außenbordmotors über den See näher kommen. Ein Kunststoffboot mit einem Zehn-PS-Motor kam von Norden und steuerte fünfzig Meter von ihrem Standort entfernt in die Bucht. Der Motor wurde gedrosselt, und das Boot glitt neben der Absperrung an Land. Der Wind trug einige Wortfetzen bis zu Winter und Halders, die aufmerksam das Boot beobachteten.
Sie sahen zwei Jungen, die ausstiegen, und Halders lief über den Pfad auf sie zu. Kaum fünf Minuten später war er mit den beiden zur Stelle. Die beiden Teenager trugen jeder mindestens je zwei Angelruten, als hätten sie sich geweigert, die Sachen einfach im Boot zurückzulassen. Winter hatte Halders fragen hören, warum sie mit dem Boot gerade dort gelandet seien, und sie hatten geantwortet, das sei ihr Platz. Ihr gewohnter Platz.
»Wo war das Boot gestern Nacht?«, fragte Winter, als die Drei nahe genug herangekommen waren.
»Was?«
»Er ist auch Kriminalbeamter«, stellte Halders Winter vor.
»Gestern früh hat kein Boot dort gelegen«, sagte Winter.
»Nee, das war weg«, meinte einer der Jungen, und beide blickten betreten zu Boden.
»Was sagst du da?«, fragte Halders. Die Jungen schienen in ihren Schwimmwesten, die sie noch nicht abgelegt hatten, zu schrumpfen.
»Wann war denn euer Boot weg?« Winter gab Halders ein diskretes Warnzeichen. »Heute Morgen«, erklärte der Wortführer.
»Ihr seid heute Morgen hergekommen und habt entdeckt, dass das Boot nicht da war?«
»Ja.«
»Wann war das?«
»Acht... Viertel nach acht, so was.«
Winter sah auf die Uhr. Das war vor vier Stunden gewesen.
»Was habt ihr dann gemacht?«, fragte Halders.
Die Jungen schauten sich an.
»Wir... Wir haben natürlich nach dem Boot gesucht.«
»Mit allen Sachen?«
»Was?«
»Dem ganzen Angelgerät«, sagte Halders ungeduldig. »Habt ihr das mitgeschleppt, als ihr euer Boot gesucht habt?«
»Wir haben die Sachen hier gelassen«, gab der Wortführer kleinlaut zu.
»Was habt ihr dann gemacht?«
»Wir sind um den See gegangen.«
»Und wo habt ihr das Boot gefunden?«, fragte Winter.
»Auf der anderen Seite.« Der Junge deutete durch das Laub auf den See.
»Ihr müsst uns später die genaue Stelle zeigen.« »Ja... Sicher.«
»Es lag also einfach da?«, hakte Halders nach. »Mit Motor und allem.«
»Nee. Den Motor nehmen wir doch immer mit.«
»Und die Ruder? Nehmt ihr die auch mit?«
Der Junge, der noch nichts gesagt hatte, begann nervös zu kichern, fing sich aber schnell wieder.
»Man kann das Boot also rudern?«
»Ja.«
»Aber es war wohl angekettet?«
»Das Schloss war aufgebrochen.« Der Junge, der nur kurz gekichert hatte, schien seine Sprache wieder gefunden zu haben.
»Aufgebrochen«, wiederholte Halders. »Kommt das oft vor?«
»Uns ist es bisher nicht passiert. Aber anderen.« Der Junge machte eine Geste, die alle
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