Die Schattenfrau
einfacher. Ein Streit im Drogenmilieu, Körperverletzung mit Todesfolge oder eine Fahrerflucht.. «
»So was magst du also mehr?«
»Wie man's nimmt. Aber du weißt, was ich meine.«
»Wenn wir gleich von Anfang an mehr Antworten haben, soll es leichter sein, auf Spuren zu stoßen?«
»W... was?«
»Meinst du, es ist leichter, wenn uns alles von Anfang an leichter gemacht wird?«
»Jetzt wirst du spitzfindig, Erik.«
»Hast du was anderes gemeint, Henrik?«
»Nein, nein. Du machst das schon richtig.«
»Wenn ich nicht ständig gestört werde«, sagte Winter. Er blieb stehen und betrachtete den Bus. Noch immer war niemand ausgestiegen. Er beobachtete, wie eine Frau darauf zuging und am Fahrerfenster stehen blieb. Es schien, als spräche sie mit dem Fahrer. Dann machte sie einige Schritte rückwärts, drehte sich um und rannte los, zur Skänegatan und über den Parkplatz, auf das Polizeipräsidium zu, direkt auf das Gebäude zu, in dem er, Winter, sich befand. Ihre Gesichtszüge wurden immer deutlicher. Sie verschwand aus seinem Blickfeld. Sie hatte ausgesehen wie vor Schreck gelähmt.
»Entschuldige mich«, sagte Winter, verließ das Zimmer und fuhr mit dem Aufzug runter zum Eingang.
22
In der Eingangshalle herrschte große Aufregung. Die Frau, die Winter über die Skänegatan und den Parkplatz hatte laufen sehen, lehnte vor dem Empfangsschalter und sprach durch die Öffnung im Glas. Der Chef der Schutzpolizei kam mit einem Trupp von fünf, sechs Mann anmarschiert. Ein paar Kriminalbeamte drückten sich herum. In der Halle und dem Wartezimmer wimmelte es von der üblichen Mischung aus Fahrradboten, uniformierten Streifenbeamten, Empfangspersonal, Anwälten und ihren Klienten. Eine bunte Mischung aus hoch und niedrig Gestellten: Fixer auf dem Weg in die Räume oben oder unten, Huren, Autoknacker, Kleinkriminelle aller Gesellschaftsschichten, Säufer, die ihren Rausch ausschliefen. Dazu Direktionsassistenten, die man aus einer Kneipe geworfen hatte und die mit einer Brechstange zurückgekommen waren. Karrierefrauen mit Katzenjammer, die frustriert gewaltsamen Widerstand gegen die Polizei geleistet hatten. Und welche, die nur ein Formular ausfüllen wollten. Die einen Pass beantragen wollten und sich verlaufen hatten. Die jemanden lange genug vermisst hatten, um Anzeige zu erstatten. Die einfach hereinspaziert kamen, Gott allein wusste warum.
Der Chef der Schutzpolizei sprach mit der Frau, die auf den Bus vor dem Stadion deutete. Winter trat näher. Er hatte ohnehin nichts Besseres vor.
Die Frau berichtete, im Bus sitze ein Mann mit einem kleinen Jungen und drohe, das Kind und sich selbst zu erschießen und den Bus in die Luft zu sprengen. Er habe ihr die Waffe gezeigt und eine Schnur oder so was, woran er ziehen könne. Dann werde der Bus explodieren, habe er gesagt.
»Absperren«, befahl der Chef einer uniformierten Frau, die neben ihm stand.
Winter nahm wahr, wie der Alarm sich unter den Polizisten ausbreitete. Die Bewegungen wurden plötzlich intensiver in dem engen Raum um den Empfangsschalter, als alle Polizisten gleichzeitig hinausdrängten, um sich dort mit den Kollegen zu vereinen, die aus der ganzen Stadt zurückbeordert worden waren. Winter sah den Bus nun aus anderer Perspektive. Er wirkte kleiner, als hätte ihn die Sonne schrumpfen lassen, während er ungeschützt draußen auf dem leeren Platz stand.
»Benachrichtigt Bertelsen bei der Ausländerbehörde«, hörte Winter den Chef jemandem nachschreien, der schon fast in dem Gewimmel verschwunden war. Winter hatte genug gehört, um zu begreifen, dass ein verzweifelter Mann in dem Bus saß, der sich in einer ausweglosen Lage zu einer Verzweiflungstat entschlossen hatte. Winter vermutete, dass es wieder einer von denen war, die in Schweden nicht willkommen geheißen wurden, die abgeschoben werden sollten zurück auf die Flucht um die Welt, auf Lebenszeit verdammt. Noch einer der Flüchtlinge der Welt, ein Heimatloser, der auf dem Planeten seine Runden zog, auf rostigen Schiffen, die nirgends anlegten, oder in Wohnwagen, die durch alle Sümpfe und Wüsten der Erde klapperten, ohne jemals eine der Oasen anzusteuern. Vielleicht erschießt er sich und den Jungen, dachte Winter. Das ist schon vorgekommen.
Umgehend wurde die Skänegatan abgesperrt, der Verkehr umgeleitet. Schon hatten sich die ersten Neugierigen versammelt, als wäre die Nachricht von der Tragödie bereits in den Medien verbreitet worden.
In dem schönen Foyer des
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