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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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war relativ. Alte Menschen sagten mitunter etwas und meinten etwas ganz Anderes, überlegte Karin Sohlberg. Darin unterschieden sie sich nicht von andern... Aber für sie kann eine Woche wie ein Monat sein. Die Zeit konnte langsam verstreichen und dennoch allzu schnell. Sie hatte oft an die Alten gedacht, die allein mit ihren Gedanken dasaßen. In ihnen musste so viel vorgehen. Manches, das herauswollte, und manches, über das sie lieber schwiegen.
    Karin Sohlberg stand wieder vor ihrem Büro. Die Sprechstunde war vorbei. Sie sah Helene Andersens Tür wieder vor sich und versuchte, sich an das Gesicht zu erinnern, das zu dem Namen und der Wohnung gehörte. Es gelang ihr nicht. Das rothaarige Kind, daran glaubte sie sich zu erinnern, aber ganz sicher war sie nicht. Sie hatte einen langen Urlaub hinter sich und zu viele neue Gesichter um sich gehabt.
    Ester Bergman war nicht verwirrt. Sie hatte vielleicht schwache Augen, aber ihr Blick war auf seine Art scharf. Sie lief nicht herum und tratschte. Sie musste lange gezögert haben, bis sie sich aufraffte, ins Büro zu kommen. Und wenn sie sagte, die kleine Familie sei schon länger nicht mehr da, konnte es wahr sein. Die Frage war nur, was das zu bedeuten hatte. Die Miete war bezahlt. Aber das bedeutete nicht, dass sie auch in der Wohnung leben mussten, die junge Frau und ihre Tochter.
    Sie könnte einen Mann kennen gelernt haben, dachte Karin Sohlberg. Sie hat bestimmt einen Mann kennen gelernt, und die beiden sind zu ihm gezogen, aber sie wagt nicht, die Wohnung aufzugeben, weil man ja nie wissen kann. Erst vor kurzem. Sie verlässt sich nicht auf Kerle, denn sie hat schlechte Erfahrungen gemacht. Vielleicht. Wahrscheinlich. Es ist wahrscheinlich, weil es an der Tagesordnung ist. Karin Sohlberg warf einen raschen Blick auf ihren linken Ringfinger, wo sich noch immer ein schmaler Streifen weißer Haut von der sonnengebräunten Haut abhob, vom Verlobungsring, der da gesessen hatte.
    Karin Sohlberg musste an Ester Bergmans Worte von der Polizei denken. Sie ging hin und sah sich den Anschlag näher an. Er steckte in einer Klarsichthülle. Die Polizei schien zu wollen, dass er jeder Witterung standhalten konnte. Der feine Regen tropfte auf die Hülle, rann daran herab. Dadurch hob er sich ab von den übrigen durchweichten Zetteln an der Holztafel. Er zog ihren Blick an. Ich bemerke ihn erst jetzt, wo es regnet, gestand Karin Sohlberg sich ein. Deshalb habe ich ihn vorher nie beachtet, weil die Hülle so blendete, dass der Text ganz verschwand.
    Sie las. Zuerst sah sie keine Verbindung zu ihrer Arbeit an diesem Tag, doch wenn Ester Bergman einen möglichen Zusammenhang bemerkt hatte, würde es ihr sicher auch gelingen. Aber das konnte ja gar nicht sein. Karin Sohlberg dachte wieder an die Miete und las noch einmal das Hilfsersuchen der Polizei.
    Karin Sohlberg ging zurück in ihr Büro und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Dazu habe ich keine Zeit, ging ihr durch den Kopf. Wenn ich sitzen bleibe, kommt bestimmt jemand, und dann hab ich noch weniger Zeit.
    Sie ging über den Hof zu Helene Andersens Wohnung und klingelte. Sie lauschte dem Echo des Klingeltons, das nur langsam verhallte. Karin Sohlberg hob wieder die Briefklappe und versuchte, weiter in die Wohnung hineinzusehen. Sie konnte nur die Farben der Wurfsendungen und einige Umschläge in Braun und Weiß sehen. Sieht aus wie Rechnungen, aber da bin ich mir nicht sicher, überlegte sie. Was sicher ist: Hier hat schon lange niemand mehr die Post geöffnet.
    Zeitungen lagen nicht dort, aber das hatte nichts zu bedeuten. Viele konnten sich keine Tageszeitung leisten oder bestellten sie aus anderen Gründen ab.
    Es wurde ihr langsam unheimlich, so dazustehen. Als könnten jederzeit ein Paar Füße näher kommen. Sie zuckte zurück, als ihr der Gedanke kam, lief die Treppe hinunter, stellte sich auf den Hof und blickte zu Helene Andersens Küchenfenster hinauf. Die Jalousien waren unten, und das unterschied das Fenster von anderen daneben und darunter und darüber. Während der Hitzewelle waren alle Jalousien heruntergelassen gewesen, jetzt aber waren sie es fast nur noch vor dem Fenster, das sie betrachtete.
    Karin Sohlberg versuchte, Helene Andersens Fenster an der Außenseite des Gebäudes zu finden. Es war nicht schwer, da auch hier die Jalousien heruntergelassen waren. Das war normal, wenn man verreiste. Karin Sohlberg blickte zum Fenster hinauf. Nach einer halben Minute empfand sie das gleiche unangenehme Gefühl wie

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