Die Schattenfrau
hatte ein Nachbar angefangen, sich Gedanken zu machen, als der alte Mann in der Wohnung unter ihm sich nicht mehr blicken ließ, obwohl das Licht brannte. Nach einer Woche hatte der Nachbar sich an das Büro gewandt. Karin Sohlberg war hingegangen und hatte geklingelt, aber es hatte keiner aufgemacht. Durch die Briefklappe hatte sie einen Haufen Post gesehen. Da es keine Angehörigen gab und sie selbst nicht berechtigt war, die Wohnung zu betreten, hatte sie die Polizei benachrichtigt. Der alte Mann saß tot auf seinem Stuhl. Hinterher hatte sie denken müssen, wie merkwürdig es war, dass sie nichts gerochen hatte.
Sie ging weiter die Spalten auf der Liste durch.
»Können Sie was finden?«, fragte Ester Bergman.
»Es könnte Helene Andersen sein, nach der Sie fragen. Sie wohnt zwei Treppenhäuser von Ihnen entfernt«, antwortete Karin Sohlberg und nannte eine Wohnungsnummer, die Ester Bergman nicht ganz mitbekam.
»Hat sie eine rothaarige Tochter?«
»Das steht hier nicht, Frau Bergman.« Karin Sohlberg sah sie nachdenklich an. »Aber ich frage mich, ob sie nicht... Einen Moment...«, wieder vertiefte sie sich in ihre Liste. »Sie hat eine kleine Tochter, die Jennie heißt. Da steht es ja.«
»Jennie?«
»Ja. Das könnten sie sein. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie sie aussehen. Dazu müsste ich sie erst kennen lernen.«
»Aber sie sind ja nicht mehr hier. Sie sind weg.«
»Wie lange ist es her, Frau Bergman, dass Sie das Mädchen zum letzten Mal gesehen haben? Oder die Mutter?«
»Das kann ich nicht genau sagen. Vor einem Monat oder so. Als es warm war. Und es ist noch lange warm geblieben. Und jetzt ist es auch schon eine Weile kühler.«
»Die Mutter und das Mädchen könnten in den Urlaub gefahren sein. Oder Bekannte besucht haben.« »So lange?«
Das Mädchen machte eine Geste, die wohl bedeuten sollte, dass so etwas vorkam, riet Ester Bergman. »Und ich habe gedacht, sie wären vielleicht weggezogen«, sagte sie.
»Nein. Das sind sie nicht.« »Aber sie wohnen bestimmt nicht mehr hier.« »Ich weiß, was wir machen können. Ich kann hingehen und klingeln und sehen, ob jemand zu Hause ist.« »Was sagen Sie dann? Wenn jemand aufmacht?« »Mir wird schon was einfallen.« Karin Sohlberg lächelte.
Ester Bergman wollte nicht mitkommen, sondern ging nach Hause. Karin Sohlberg betrat den Aufgang zwanzig Meter weiter und stieg die Treppe hoch in den ersten Stock. Sie klingelte an der Tür und wartete. Sie drückte noch einmal auf die Klingel und lauschte dem Echo in der Wohnung. Es hallte noch immer nach, als sie die Briefklappe anhob und den kleinen Haufen Reklamezettel sah und andere Post, die sie nicht genauer erkennen konnte. Wie viel da lag, konnte sie nicht abschätzen.
Sie ging die Treppe wieder hinunter und klingelte Minuten später an Ester Bergmans Tür. Die alte Frau öffnete sofort, als hätte sie direkt hinter der Tür gestanden.
»Es war niemand zu Hause.«
»Das habe ich ja die ganze Zeit gesagt.«
»Es lag ein wenig Post hinter der Tür, aber dafür kann es mehrere Erklärungen geben.«
»Mir reicht schon eine«, sagte Ester Bergman.
»Eines könnte ich für Sie noch tun, Frau Bergman«, schlug Karin Sohlberg vor. Und für mich selbst, fuhr es ihr durch den Kopf. Ich will es jetzt auch genauer wissen. »Ich kann zum Bezirksbüro gehen und nachschauen, ob die Miete bezahlt ist.« »Das können Sie tun?«
»Wir sind schon so weit im September, dass zumindest ersichtlich ist, ob die Miete bezahlt wurde oder ob ein Mahnbrief an Helene Andersen rausgegangen ist.«
»Ich denke vor allem an die Kleine.« »Frau Bergman, Sie verstehen, was ich meine?« »Ich bin nicht dumm, und ich bin nicht taub«, antwortete Ester Bergman. »Gehen Sie zu diesem Büro. Das ist gut.«
Karin Sohlberg machte sich auf den Weg zum Bezirksbüro im alten Heizwerk in der Dimvädersgatan und überprüfte am Computer, ob Helene Andersens letzte Miete bezahlt worden war.
Sie war zum Monatswechsel eingegangen.
Formal einen Tag zu spät, aber der letzte Tag im Monat war ein Sonntag gewesen.
Auf jeden Fall war die Miete vor weniger als zwei Wochen bei der Post eingezahlt worden, und zwar wie sonst auch: Helene Andersen ging anscheinend mit ihrer vorgedruckten Zahlkarte zum Postamt und zahlte den Betrag in bar ein. So machten es viele. Die meisten in dieser Gegend. Auf der Post am Länsmantorget, dachte Karin Sohlberg.
Ester Bergman hatte gesagt, dass die Mutter und das Mädchen schon lange weg seien. Zeit
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