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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Bergman abschließend gesagt.
    Die Angestellte hatte ihr wieder die Hand auf die Stirn gelegt. »Bleiben Sie schön liegen, dann hole ich eine Tasse.«
    »Ich gehe schon nicht weg.«
    Dann war sie wieder allein gewesen.
    Daran dachte sie jetzt, während ihre Hand immer nasser wurde. Es war schön, dass es regnete. Alte Menschen taten sich schwer mit der Hitze. Sogar Alte aus anderen Ländern bleiben drinnen, wenn es draußen heiß ist, überlegte sie.
    Ester Bergman zog die Hand zurück, ließ aber das Fenster angelehnt. Der Regen malte Streifen auf die Scheibe. Es roch wie früher, als sie ein Kind war. Durch das nasse Fenster konnte sie die Kinder draußen beobachten.
    Plötzlich traf sie fast der Schlag. Sie glaubte, ein Rotschopf wäre dabei. Sie beugte sich vor und stieß das Fenster auf, um besser sehen zu können. Aber da war niemand mit rotem Haar. Es war überhaupt niemand da, sondern völlig leer vor ihrem Fenster. Ein paar Kinder spielten weiter weg, aber keins von ihnen hatte rote Haare. »So weit ist es also mit mir gekommen«, stöhnte Ester. »Jetzt sehe ich schon Gespenster.«
    Aneta Djanali konnte zum Herbstanfang nach Hause zurück. Es roch nach Stillstand in der Wohnung. Sie öffnete ein Fenster, und obwohl es nicht windig war, wirbelte Staub auf. Als erstes legte sie Musik auf, und zwar keinen Jazz.
    Der frühe Nachmittag kam ihr wie Abend vor, wenn das Licht nicht mehr bis in den letzten Winkel drang. Das Tageslicht schien auf den Dingen zu verweilen. Alles war unscheinbarer. Erholsam für den Kopf, dachte Aneta und schenkte sich ein Glas Whisky aus der fast vollen Flasche auf dem Küchenregal ein. Zum letzten Mal hatte sie die Flasche an dem Abend in der Hand gehabt, an dem sie niedergeschlagen worden war. Ein eigenartiges Gefühl. Sie hatte mit Eis hier gesessen und an einem Whisky genippt. Dann waren sie ausgegangen. Und erst jetzt war sie wieder nach Hause gekommen, trank wieder einen Whisky, als hätte jemand die Zeit angehalten. So muss man das wohl sehen, philosophierte sie. Aber ich wünschte, ich hätte im Dienst eins auf die Nase bekommen. Das wäre besser gewesen. Sie nahm noch einen Schluck und verzog das Gesicht, wie sie es bei ihrer zusammengeflickten Kieferpartie wagte. Der Alkohol wanderte fast sofort wärmend in die Glieder, wie ein kleines Feuer, das in ihrem Körper loderte, sich in alle Nervenbahnen und Blutgefäße ausbreitete. Besser als Schmerztabletten. Aneta nahm ein wenig Whisky in den Mund und ließ ihn langsam die Kehle hinablaufen. Aus der Anlage klang es, als stünde Nick Cave in der Ecke des dunkler werdenden Zimmers. People they ain't no good. Sie hörte nicht auf den Text, sondern saß einfach da, die Füße hochgelegt und sog die Gerüche ihres eigenen Zuhauses ein. Mir geht's ziemlich gut, dachte sie.

26
    Ester Bergman trank einen Schluck Kaffee, aber sie dachte an etwas anderes. Der junge Mann im Radio hatte gerade die Zeit angesagt: acht Uhr. Ester Bergman war schon auf und saß angezogen da. Diese Frau von der Sozialstation würde heute nicht kommen. Wie schön.
    Auch an diesem Tag regnete es, und das war gut. Es ließ sich leichter atmen, auch wenn sie eigentlich keine Probleme damit hatte wie andere Alte. Es goss auch nicht in Strömen, sondern es war ein angenehmer Regen, der sie glauben ließ, besser zu sehen. Die Luft war wie frisch gereinigt. Wie eine trübe Brille, die man tüchtig mit einem Tuch poliert, damit die Gläser blank werden.
    Vor dem Büro zögerte sie und las sicherheitshalber noch einmal das Schild. Sie war ein wenig aufgeregt, als sie da stand. Mit einem Fremden über... über dieses Mädchen und seine Mutter zu sprechen. Jetzt erschien es ihr dumm: Was hatte sie damit zu schaffen? Es war doch besser, zurückzugehen und...
    »Frau Bergman, Sie sollen nicht draußen im Regen stehen«, sagte das Mädchen, das aus dem Büro gekommen war. »Kann ich Ihnen bei irgendwas helfen? Brauchen Sie etwas aus dem Laden?«
    »Nein... , danke«, sagte Ester Bergman. Sie erkannte das Mädchen. Es war manchmal auf dem Hof gewesen, und sie hatten sich gegrüßt. Es wusste also, wer sie war. »Sie kennen meinen Namen?«
    »Sie wohnen doch schon so lange hier, Frau Bergman«, antwortete das Mädchen. »Wir haben auch schon miteinander gesprochen. Ich heiße Karin Sohlberg.«
    »Lange? Seit das Haus gebaut wurde, wohne ich hier.« Sie waren 1958 hergezogen, als alles neu und strahlend war. Elmer hatte ihr nie erklärt, wie sie es sich hatten leisten können,

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