Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
ausländisch natürlich! Das macht die Lage so schwierig. Sie verstehen mich doch hoffentlich recht, meine Liebe, und sind nicht beleidigt – Sie haben so ein liebes Gesicht! –, aber es ist keine schöne Vorstellung, sein Haus an fremde Leute zu vermieten – nur, so wie bisher konnte es nicht weitergehen, und jetzt, wo ich Sie gesehen habe, bin ich richtig froh, dass Sie hier wohnen werden – das Haus braucht junges Blut, wissen Sie. Und ich muss zugeben, bei dem Gedanken, einen Mann hier zu haben, war mir nie ganz wohl!»
    Hier musste Joanna ihr beibringen, dass es mich gab. Miss Emily trug es wacker.
    «Ojemine. Wie traurig! Beim Fliegen, sagen Sie? Diese tapferen jungen Männer. Ja, wenn Ihr Bruder praktisch ein Invalide ist…»
    Der Umstand schien die zarte kleine Dame zu trösten. Ein Invalide konnte sich unmöglich all jenen männlichen Unsitten ergeben, die Miss Emily Bange machten. Zaghaft erkundigte sie sich, ob ich rauchte.
    «Wie ein Schlot», sagte Joanna. «Aber», fügte sie hinzu, «das tu ich auch.»
    «Oh, sicher. Wie dumm von mir. Es tut mir Leid, aber ich glaube, ich bin nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Meine Schwestern waren alle älter als ich, und meine liebe Mutter ist siebenundneunzig geworden – stellen Sie sich das vor! – und war recht eigen. Natürlich, heutzutage rauchen ja alle. Das Dumme ist nur, es gibt überhaupt keine Aschenbecher im Haus.»
    Joanna versprach, dass wir jede Menge Aschenbecher mitbringen würden, und setzte mit einem Lächeln hinzu: «Keine Angst, wir drücken unsere Zigaretten nicht auf Ihren schönen Möbeln aus. Ich könnte aus der Haut fahren, wenn jemand das tut.»
    So wurde der Handel geschlossen; wir mieteten Little Moor für sechs Monate, mit Option auf weitere drei, und Emily Barton versicherte Joanna, sie selbst werde bestens versorgt sein, denn sie werde Zimmer bei ihrem ehemaligen Stubenmädchen beziehen, «meiner treuen Florence», die geheiratet hatte, «nach fünfzehn Jahren bei uns. So ein nettes Mädchen, und ihr Mann ist im Baugeschäft. Sie haben ein allerliebstes Häuschen in der High Street mit zwei wunderschönen Zimmern im Obergeschoss, wo ich es sehr, sehr gemütlich haben werde. Florence freut sich schon so, dass ich komme.»
    Damit schien alles zur allseitigen Zufriedenheit geregelt, der Vertrag wurde unterzeichnet, und wenig später zogen Joanna und ich ein und fanden uns in guten Händen, denn Miss Emily Bartons Haushälterin Partridge hatte sich bereit erklärt zu bleiben, unterstützt durch eine «Hilfe», die jeden Morgen kam und beschränkt schien, aber freundlich.
    Partridge, eine hagere, sauertöpfische Frauensperson mittleren Alters, kochte ausgezeichnet, und obschon sie spätes Dinieren missbilligte (Miss Emily hatte stets nur ein leichtes Nachtmahl in Form eines weichen Eis zu sich genommen), fügte sie sich in unsere Gepflogenheiten und ging sogar so weit, einzuräumen, dass ich ein wenig Aufpäppeln bitter nötig hätte.
    Als wir uns in Little Moor eingerichtet hatten und die erste Woche hinter uns lag, sprach mit feierlicher Miene Miss Emily Barton vor und hinterließ ihre Visitenkarte. Ihrem Beispiel folgten Mrs Symmington, die Gattin des Anwalts, Miss Griffith, die Schwester des Arztes, Mrs Dane Calthrop, die Pfarrersfrau, und Mr Pye von Prior’s End.
    Joanna war beeindruckt.
    «Ich wusste gar nicht», sagte sie voller Ehrfurcht, «dass es wirklich Leute gibt, die Visitenkarten abgeben.»
    «Das kommt daher», erwiderte ich, «dass du keine Ahnung vom Landleben hast, mein Kind.»
    «Unsinn. Ich hab doch hundertmal Leute in ihren Wochenendhäusern besucht.»
    «Das ist etwas anderes», sagte ich.
    Ich bin fünf Jahre älter als Joanna. Ich kann mich noch an das große, heruntergekommene, unordentliche weiße Haus erinnern, in dem wir wohnten, als ich klein war, an die Felder, die sich bis zum Fluss hinzogen. Ich weiß noch, wie ich unter die Himbeernetze kroch, wenn der Gärtner nicht hinschaute, und wie der weiße Staub im Hof vor dem Stall roch; ich sehe die rote Katze vor mir, die über den Hof spazierte, und höre das Poltern der Pferdehufe in den Boxen.
    Aber als ich sieben war und Joanna zwei, kamen wir nach London zu einer Tante, und von da an verbrachten wir die Weihnachts- und Osterferien in der Stadt, mit Theater- und Kinobesuchen, Bootsfahrten in Kensington Gardens und später Ausflügen auf die Rollschuhbahn. Im August ging es in ein Hotel irgendwo am Meer.
    Das hielt ich mir vor Augen, und dann sagte ich

Weitere Kostenlose Bücher