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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gekriegt hat. Und der wohl Andeutungen macht.»
    Ihr grimmiger Blick im Verbund mit den unüberhörbaren Kapitälchen des Wortes Andeutungen ließ in mir die Befürchtung aufkeimen, dass die Andeutungen mit mir zu tun hatten. Da ich von Beatrice so wenig Notiz genommen hatte, dass ich Mühe gehabt hätte, sie auf der Straße zu erkennen, regte sich eine nicht unerklärliche Empörung in mir. Ein Invalide an zwei Stöcken taugt nur bedingt zum Verführer von Dorfmädchen. Gereizt sagte ich:
    «So ein Unsinn!»
    «Genau das hab ich der Mutter von dem Mädel auch gesagt, Sir», verkündete Partridge. ‹«Techtelmechtel in diesem Haus›, hab ich ihr gesagt, ‹das hat’s nie gegeben, und das wird’s auch nicht geben, solang ich ein Wörtchen mitzureden hab. Von wegen Ihrer Beatrice›, hab ich gesagt, ‹bei den Mädels von heute herrschen andre Sitten wie früher, und von wegen Techtelmechtel sonst wo, da weiß ich nichts.› Nur ist es wohl so, dass der junge Mann aus der Autowerkstatt, mit dem Beatrice ausgeht, den Brief auch gesehen hat und einen fürchterlichen Tanz aufführt.»
    «Ich habe in meinem ganzen Leben nichts so Absurdes gehört», sagte ich verärgert.
    «Wenn Sie mich fragen, Sir», sagte Partridge, «seien wir froh, dass wir das Mädel los sind. Ich sag’s Ihnen, sie hat was zu verbergen, sonst würde sie sich nicht so haben. Wo Rauch ist, sag ich immer, da ist auch Feuer.»
    Ich ahnte nicht, wie satt ich dieses Sprichwort noch bekommen sollte.
     
    II
     
    Für diesen Vormittag stand ein Abenteuer auf dem Programm: ein Spaziergang ins Dorf (Joanna und ich nannten es das Dorf, auch wenn das technisch gesehen nicht korrekt war und die Einwohner von Lymstock ziemlich entrüstet hätte).
    Die Sonne schien, die Luft war kühl und frisch und schmeckte schon nach Frühling. Ich klaubte meine Stöcke zusammen und marschierte allein los, sosehr Joanna auch darauf drängte, mich zu begleiten.
    «Nein», sagte ich, «ich brauche keinen Schutzengel, der neben mir hertrippelt und ermutigende Zwitscherlaute ausstößt. Denk an das Sprichwort: Der reist am schnellsten, der alleine reist. Wichtige Geschäfte harren meiner. Ich muss zu Galbraith, Galbraith und Symmington, diese Aktienübertragung unterschreiben, ich muss zum Bäcker, mich wegen des Rosinenweckens beschweren, und ich muss das Buch zurückgeben, das wir ausgeliehen haben. Und zur Bank muss ich auch. Lass mich ziehen, Weib, der Morgen ist allzu kurz.»
    Wir einigten uns darauf, dass Joanna mit dem Auto nachkommen und mich rechtzeitig zum Mittagessen wieder den Hügel hinaufschaffen würde.
    «Da müsstest du genug Zeit haben, um mit jedem Bürger von Lymstock deinen Morgenplausch abzuhalten.»
    «Ich bezweifle nicht», sagte ich, «dass ich bis dahin alles gesehen haben werde, was Rang und Namen hat.»
    Denn vormittags war die High Street Treffpunkt für die einkaufende Bevölkerung und Umschlagplatz für Neuigkeiten.
    Letzten Endes ging ich doch nicht ohne Geleit in die Stadt. Ich hatte vielleicht zweihundert Meter zurückgelegt, als ich hinter mir eine Fahrradglocke hörte und dann Bremsenknirschen; gleich darauf plumpste Megan Hunter mir von ihrem Gefährt mehr oder minder vor die Füße.
    «Hallo», sagte sie atemlos, während sie aufstand und sich abklopfte.
    Ich mochte Megan und empfand immer ein bisschen Mitleid mit ihr.
    Sie war die Stieftochter von Symmington, dem Anwalt – Mrs Symmingtons Tochter aus erster Ehe. Über Mr (oder Captain) Hunter hörte man wenig; offenbar verspürte niemand den Wunsch, sein Andenken zu bewahren. Es hieß, er habe Mrs Symmington schändlich behandelt und sie habe nach einem oder zwei Ehejahren die Scheidung eingereicht. Sie hatte eigenes Vermögen und war mit ihrer kleinen Tochter nach Lymstock gezogen, «um zu vergessen». Nach einiger Zeit hatte sie dann den einzigen in Betracht kommenden Junggesellen am Ort geheiratet, Richard Symmington. Aus dieser zweiten Ehe gab es zwei Söhne, der ganze Stolz der Eltern, und ich stellte mir vor, dass Megan sich zuweilen wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. Sie hatte gar nichts von ihrer Mutter, einer kleinen, anämischen Frau, hübsch, aber verblüht, die mit matter, melancholischer Stimme über Ärger mit dem Personal und ihren Ischias klagte.
    Megan war groß und schlaksig, und trotz ihrer zwanzig Jahre wirkte sie wie ein sechzehnjähriges Schulmädchen. Sie hatte einen wirren braunen Haarschopf, grünbraune Augen, ein schmales, knochiges Gesicht und ein unerwartet

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