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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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natürlich krankhaft.»
    Ich nickte. «Haben Sie eine Ahnung, wer dahinter steckt?», erkundigte ich mich.
    «Nein – leider. Wissen Sie, es gibt zwei Arten von anonymen Briefen. Entweder sie sind gezielt, das heißt, sie richten sich an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis, dann existiert ein Motiv, jemand hat eine Rechnung zu begleichen (oder glaubt das zumindest) und wählt dazu einen besonders hässlichen und heimtückischen Weg. Gemein und ekelhaft, aber nicht unbedingt verrückt, und in der Regel lässt sich der Urheber relativ leicht ermitteln – ein entlassener Dienstbote, eine eifersüchtige Frau, etwas in der Art. Aber wenn es allgemein ist und nicht gezielt, dann ist der Fall ernster. Die Briefe werden wahllos verschickt, der Absender will damit irgendwelchen Hassgefühlen Luft machen. Wie gesagt, es ist entschieden krankhaft. Und der Wahn verstärkt sich. Irgendwann kommt man dem Schuldigen natürlich auf die Schliche – in der Regel ist es jemand, den keiner auf der Rechnung hatte –, und der Spuk ist vorbei. Wir hatten gerade letztes Jahr so eine Geschichte auf der anderen Seite der Grafschaft – da war es die Leiterin der Kurzwarenabteilung in einem großen Stoffgeschäft. Eine ruhige, kultivierte Frau – hatte schon Jahre dort gearbeitet. In meiner letzten Praxis oben in Nordengland gab es auch einen Fall – aber der stellte sich als persönliche Rache heraus. Trotzdem, ich habe genug gesehen, dass so etwas mir Angst macht!»
    «Geht das schon lange so?», fragte ich.
    «Wohl nicht. Aber das ist schwer zu sagen – Leute, die solche Briefe erhalten, hängen es meist nicht an die große Glocke. Sie verbrennen sie.»
    Er machte eine Pause.
    «Ich habe einen bekommen. Symmington, der Anwalt, hatte einen. Und von einem oder zwei meiner ärmeren Patienten habe ich es auch gehört.»
    «Alle in diesem Stil?»
    «O ja. Der Tenor ist immer der Gleiche. Ein entschiedener Hang zum Erotischen.» Er grinste. «Symmington wurden unzulässige Beziehungen zu seiner Sekretärin unterstellt – der armen, alten Miss Ginch. Sie ist mindestens vierzig und trägt einen Kneifer, und Hasenzähne hat sie auch. Symmington ist mit dem Brief geradewegs zur Polizei gegangen. Mir wird vorgeworfen, ich würde mit meinen Patientinnen gegen die guten Sitten meines Berufs verstoßen, unter genauer Angabe von Details. Alles kindisch und absurd, aber extrem gehässig.» Sein Ausdruck wurde düster. «Wie gesagt, es macht mir Angst. Solche Dinge können eskalieren.»
    «Möglich, ja.»
    «Verstehen Sie», sagte er, «so plump und kindisch die Briefe auch sind, früher oder später wird einer ins Schwarze treffen. Und weiß Gott, was dann passiert! Die Frage ist auch, wie geht ein primitives, schwerfälliges, misstrauisches Hirn mit so etwas um? Was schwarz auf weiß zu lesen steht, ist für viele Leute wahr. Daraus können alle möglichen Komplikationen erwachsen.»
    «Es war ein sehr ungebildeter Brief», sagte ich nachdenklich. «Verfasst von jemand extrem Ungebildetem, meine ich.»
    «Ja?», fragte Owen und ging seiner Wege. Ein «Ja?», das ich, als ich später darüber nachsann, recht verstörend fand.

Zweites Kapitel
    I
     
    I ch will nicht leugnen, dass unser anonymer Brief einen üblen Nachgeschmack hinterließ. Das auf jeden Fall. Dennoch beschäftigte er mich nicht lange. Ich nahm ihn zu diesem Zeitpunkt einfach nicht ernst. Ich weiß noch, wie ich bei mir dachte, dass dergleichen in abgelegenen Dörfern wahrscheinlich nicht selten vorkam. Im Zweifel steckte irgendeine Hysterikerin mit theatralischen Anwandlungen dahinter. Und wenn die Briefe alle so kindisch und albern waren wie der an uns, würden sie schwerlich Schaden anrichten.
    Der nächste Zwischenfall, wenn ich es so nennen darf, ereignete sich eine Woche später, als Partridge mich mit zusammengekniffenen Lippen davon in Kenntnis setzte, dass Beatrice, die Haushaltshilfe, an diesem Tag nicht zur Arbeit kommen würde.
    «Anscheinend, Sir», meldete Partridge, «ist dem Mädel was aufs Gemüt geschlagen.»
    Ich war mir nicht ganz sicher, was Partridge mit Gemüt meinte, schloss aber (fälschlicherweise) auf eine Magen-Darm-Verstimmung, die unverblümter zu benennen Partridge zu vornehm war. Ich sagte, dass mir das Leid tue und dass ich hoffe, sie sei bald wieder wohlauf.
    «Dem Mädel fehlt nichts, Sir», sagte Partridge. «Ihre Gefühle sind verletzt.»
    «Oh», sagte ich unschlüssig.
    «Wegen einem Brief», fuhr Partridge fort, «den sie

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