Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
entgegen, wenn er auftaucht?«, fragt ihn Leuca ganz unvermittelt an diesem Abend.
Aus Vorsicht hatten sie kein Feuer gemacht. Zudem stand der Mond hoch am Himmel und zeichnete klare Schatten auf die festgestampfte Erde. Der Junge war erschöpft. Sie hatte ihm wieder den Mund verbunden, und er hatte geheult, hatte sich gewehrt - und schließlich nachgeben müssen. Nun schlief er, während Leuca ein Ende des Seils in den Händen hielt, mit dem er gefesselt war.
»Du«, antwortete jetzt Sherva, der auf Anhieb verstanden hatte, wen sein Kumpan meinte. »Ich passe auf den Jungen auf.«
Leuca zuckte leicht zusammen, und Sherva konnte es ihm nicht verdenken. Nach dem Kampf in Salazar war auch ihm klar, dass es sich um einen außergewöhnlich erfahrenen Krieger handeln musste. Vielleicht wäre es angebrachter gewesen, selbst dem Gnomen entgegenzutreten, denn schließlich war er ein Wächter der Gilde und hätte einmal mehr seine besonderen Talente unter Beweis stellen können. Aber er entschied sich dagegen. Auch wenn es sich bei dem Verfolger tatsächlich um Ido handeln sollte, reizte es ihn nicht, sich mit diesem Mann zu messen, der gewiss einmal ein außerordentlicher Krieger gewesen war, nun aber mehr ein Greis, der in eine andere Zeit gehörte. Nein, ihm oblag es, auf den Jungen aufzupassen, und das würde er auch tun, koste es, was es wolle. Die Nacht hatte sich über das Große Land gelegt. An den Spuren erkannte Ido, dass er den beiden Assassinen nun wirklich schon ganz nahe war. Er stieg vom Pferd. Gern hätte er es angebunden, doch in der Wüste war das kaum möglich. »Wärest du wie mein Vesa, könnte ich dir jetzt auftragen, hier auf mich zu warten«, sprach er, während er dem Tier fest in die Augen schaute. »Leider bist du kein Drache. Aber ich schwöre dir, solltest du nicht mehr hier sein, wenn ich zurückkomme, werde ich dich suchen und Würstchen aus dir machen. Verstanden?«
Das Pferd blickte ihn gleichgültig an, und Ido dachte daran zurück, wie er zum letzten Mal in die gelben tiefgründigen Augen seines Vesa geblickt hatte. Er ließ die Zügel los und legte eine Hand an das Schwert.
Es dauerte nicht lange, bis er sie erblickte. Zwei Pferde, drei am Boden hockende Gestalten. Idos Herz begann schneller zu schlagen. Nach einer langen Verfolgungsjagd hatte er es endlich geschafft. Einer von den dreien war San, das Erbe Nihals in der Aufgetauchten Welt.
Unter einem niedrig am Himmel stehenden Mond - es war also weit nach Mitternacht - schlich sich Ido näher. Die drei schliefen tief und fest, so hoffte er zumindest.
Nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt, erkannte er die Umrisse jenes Mannes, gegen den er gekämpft hatte. Ja, das war er. Ein schlanker, sehniger Körper und lange, dünne Arme.
Da er ihm den Rücken zuwandte, konnte Ido sein Gesicht nicht sehen. Der Mann, der neben ihm schlief, musste der zweite Meuchelmörder sein, aber für Ido hatte er absolut nichts Besonderes. Keine speziellen Eigenschaften, gar nichts. In der Hand hielt er das Seil, mit dem der Junge gefesselt war.
Ido überlegte, dass er jetzt gut einen Dolch gebrauchen könnte, denn sie waren zu zweit, und seine einzige Waffe war das Schwert. Dennoch legte er die Hand auf das Heft und kroch leise auf San zu. Sein Herz pochte heftig in der Brust, doch sein Geist war ruhig und klar, seine Hände zitterten nicht.
Gerade als er das Seil ergreifen wollte, wurde er plötzlich von hinten gepackt und hochgehoben. Alles ging rasend schnell. Während ihn der eine Assassine festhielt, sprang der andere auf, schnappte sich den Jungen und verschwand in der Dunkelheit. Ido vernahm das Wiehern eines Pferdes und gleich darauf Hufgetrappel, das sich rasch entfernte. Verflucht!
Zum Nachdenken war keine Zeit. Im letzten Moment sah Ido eine Klinge aufblitzen und auf sein Gesicht zukommen. Doch mit dem Ellbogen stieß er den Assassinen zurück, bekam wieder festen Boden unter den Füßen, packte ihn, warf ihn nieder und wollte sich gleich noch einmal auf ihn stürzen. Da war der Mann schon aufgesprungen und trat ihm mit dem Dolch in der Hand entgegen. Ido fletschte die Zähne, zückte sein Schwert und knurrte: »Verschwinde, wenn dir dein Leben lieb ist. Ich will nur den Jungen.«
Der andere deutete ein Lächeln an und schnellte los. Ido wich seitlich aus und schlug sofort zu. Doch der andere war flink, duckte sich und tauchte plötzlich hinter Idos Rücken auf.
Herumfahrend schlug der Gnom noch einmal zu, doch diesmal sprang der
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