Die Schattenmatrix - 20
Informationen in seinen Kopf gepackt, mehr als er begreifen konnte. Er hatte so etwas noch nie erlebt, und es erschreckte und belebte ihn zugleich. Es würde wahrscheinlich Jahre dauern, bis er das Wesen dieses Vermächtnisses wirklich verstand. Zuerst musste er jedoch überlegen, was ihn hinter jenen drohend aufragenden Mauern erwartete, und dann sich und Marguerida zum richtigen Zeitpunkt irgendwie heil zur Rhu Fead schaffen. Entmutigende Aussichten, die durch einen leeren Magen und nasse Kleider nur noch verschlimmert wurden.
Mikhail zwang sich, diese niederschmetternden Gedanken fallen zu lassen. Stattdessen betrachtete er aufmerksam die Burg. Er sah die finsteren Zinnen, auf denen Männer standen. Er bemerkte das verriegelte Tor und wie viele Männer nötig waren, um den gewaltigen Sicherungsbalken zu entfernen. Möglicherweise musste er diese Dinge nicht wissen, anderer
seits war es vielleicht die letzte Gelegenheit, die Festung zu studieren, die leicht zu ihrem Gefängnis werden konnte. Stallburschen flitzten in den Regen hinaus, echte Menschen, keine unheimlichen, identischen Geschöpfe wie Padraics Reiter. Die ganze Bande sah ungesund und nervös aus. Mikhail stieg vom Pferd und wollte gerade Marguerida helfen, aber Dom Padraic war vor ihm da und reichte ihr seine weiche Hand. Marguerida blieb im Sattel und sah zu Padraic hinab, als wäre er gerade unter einem Stein hervorgekrochen. Ihre Miene war königlich, streng und würdevoll. Sie erinnerte Mikhail an Javanne in ihren stolzesten Momenten, und er entschied, dass seine Geliebte vorläufig ganz gut auf sich selbst aufpassen konnte.
Mikhail schlüpfte an dem mit offenem Mund dastehenden Padraic vorbei und streckte die Hand aus. Marguerida ergriff sie und stieg vom Pferd. Dann drehte sie sich zu Dom Padraic um, und ihre goldenen Augen funkelten vor kaum verhüllter Wut. »Ich wusste gar nicht, dass man im Süden so ungehobelt ist. Niemand außer meinem Mann darf mich berühren!«
Dom Padraics Gesicht wurde kreidebleich. Er verzog den schmalen Mund, und man sah ihm deutlich an, dass er es nicht gewohnt war, in dieser Weise angeredet zu werden, besonders nicht von einer Frau. Seine Hand griff zur Reitpeitsche, und für einen Augenblick dachte Mikhail, er wolle Marguerida schlagen wie die bedauernswerte Frau auf dem Esel.
Doch dann beruhigte sich Padraic wieder, seine Selbstsicherheit kehrte zurück, und er grinste kalt und höhnisch. »Ich kann berühren, wen ich will«, begann er geschmeidig. »Ich glaube, ihr habt noch nicht begriffen, dass ihr mir jetzt gehört, und dass ich mit euch tun kann …«
Die rundliche Leronis glitt von ihrem Esel, huschte zu Dom Padraic und zupfte ihn am Ärmel. »Lasst sie!«, zischte sie. Ihre
Augen weiteten sich, und ihr Gesicht drückte reines Entsetzen aus. »Was!«
Der erboste Herr wandte sich zu der Frau um. Obwohl sie sichtbar zitterte, hielt sie die Stellung. »Bitte, Herr - seid vorsichtig. Ich bin jemand wie ihr noch nie begegnet, sie besitzt zweifellos ein neues Laran, das sie im Norden gezüchtet haben.« Die Frau hatte nun Padraics volle Aufmerksamkeit. »Und sagt man nicht, dass sich nur ein Narr seine Leroni zu Feinden macht?«
»Feinde?« Dom Padraic dachte einen Augenblick darüber nach. »Sagt man das? Ich kann mich nicht erinnern, es schon mal gehört zu haben. Aber vielleicht hast du Recht.« Dann schüttelte er den Kopf. Ein Haufen Schmarotzer, das sind diese Leroni. Sie erwarten, dass man sie wie Prinzen behandelt, dass sie das beste Essen und die wärmsten Zimmer bekommen. Sie haben uns von ihrem faulen Zauber abhängig gemacht. Ich würde sie mit Freuden umbringen, wenn ich nur könnte, jeden Einzelnen. Und wenn ich erst den Turm von Hali eingenommen und die Hastur Brut endlich aus ihm vertrieben habe, dann tue ich es vielleicht sogar. Wir wären ohne sie besser dran - selbst ohne sie hier!
Mikhail hörte die Gedanken wie das Flüstern vom Ende eines langen Flurs, aber die Absicht dahinter war unmissverständlich. Während er auf dem rutschigen Pflaster stand, kehrte das bedrohliche Gefühl von vorhin zurück. Er hoffte, sein Schicksal beinhaltete die Möglichkeit, diesen Mann zu töten.
Der Wind wechselte die Richtung, und Mikhail drehte sich der Magen um. Der grüne Schaum unter seinen Füßen stank zwar ebenfalls, aber dieser widerliche Geruch kam von woanders. Er war Ekel erregend. Schlimmer noch: Es war der falsche Geruch, nicht der unangenehme Modergeruch, den altes
Gemäuer oft verströmt, sondern
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