Die Schattenmatrix - 20
drang eine Stimme aus der Kehle des Mediums. »Wer sind diese Fremden?« Es war ein ziemlich zittriger Tenor, schrill und unangenehm.
Mikhail spürte, wie Dyans Hand in seinem Griff zuckte. Was soll das denn für ein Geist sein, der nicht einmal weiß, wer wir sind? Derik -falls er es ist - hat uns nie kennen gelernt.
Ach so. Seine telepathische Stimme klang nur wenig überzeugt, und Mikhail gab ihr Recht, wollte aber erst einmal abwarten, was weiter geschah. Da er seine erste Furcht überwunden hatte, begann ihn die ganze Angelegenheit zu interessieren. Wie, fragte er sich, erzeugte Ysaba diese Stimme?
»Lieber Bruder, darf ich dir Dom Mikhail Hastur, den Sohn von Javanne Hastur und Enkel von Alanna Elhalyn, und Dom Dyan Ardais, den Sohn von Dyan-Gabriel Ardais vorstellen?« Priscilla klang wie eine perfekte Gastgeberin, nicht wie jemand, der zu einem Geist spricht, und Mikhail ertappte sich dabei, dass er ihre Ruhe bewunderte.
»Warum sind sie hier? Was wollen sie von mir?« Der weinerliche Tonfall in seinen Worten ging Mikhail auf die Nerven.
»Sie sind hier, um mich zu besuchen, was sehr nett von ihnen ist, da wir nur selten Gäste auf Burg Elhalyn haben. Ohne die Kinder und Ysaba und Burl wäre ich sehr einsam.«
»Sie sind Spione!«
»Unsinn! Das sind ganz normale junge Männer.« Priscilla wirkte weit munterer als in den letzten Tagen seit Mikhails Ankunft; sie schien den Streit mit ihrem toten Bruder zu genießen. »Sie haben mit den Kindern gespielt, sind über
die Ländereien geritten und fühlen sich hier schon wie zu Hause.« »Schick sie weg! Sie stören mich.«
»Ich habe meine Einsamkeit satt, Derik«, antwortete sie verdrießlich. »Es ist so angenehm, endlich mal jemanden zum Reden zu haben.«
»Schick sie weg! Sie wollen mich verletzen.«
»Derik - wie könnten sie dir wehtun?«
Während die beiden weiterstritten, warf Mikhail einen langen Blick auf Ysaba. Im flackernden Kerzenschein beobachtete er ihre Kehle, um zu sehen, ob sich ihre Muskeln bewegten, wenn Derik sprach, und er stellte fest, dass dies nicht der Fall war. Woher zum Teufel kam die Stimme dann? Lauschten sie tatsächlich einem Geist? Auf einmal sah Mikhail, dass etwas über dem Kopf des Mediums in der Luft schwebte. Es war nur eine flüchtige Bewegung, wie von einer Rauchfahne, und er konnte undeutlich die Züge eines Mannes ausmachen. Im Raum wurde es plötzlich kälter, das flüchtige Etwas verdichtete sich und wurde undurchsichtig, so dass die Wand hinter Ysaba nicht mehr zu sehen war.
»Dyan Ardais war nie mein Freund«, sagte das Wesen. »Alle waren sie meine Feinde, Schwester, alle. Du bist mein einziger Freund. Und ich muss dir noch etwas sagen!« Seine Worte hatten etwas Verschwörerisches und verhießen sowohl ein Versprechen als auch Unheil.
»Aber Derik - du musst es mir erzählen! Ich warte seit Monaten darauf!«
»Es ist eine Verschwörung gegen mich im Gange. Nicht diese Männer… aber andere. Und diese Jünglinge hier werden alles verraten … dadurch wird alles zunichte gemacht! Sie werden versuchen, uns davon abzuhalten …« Die Stimme verlor sich. Priscilla dachte einen Moment über die Worte nach, wobei sie Mikhail und Dyan mit ihren grauen Augen musterte. Sie legte kurz die Stirn in Falten, entspannte sich aber rasch wieder und sagte: »Mikhail, versprich Derik, dass du niemandem von diesem Abend erzählen wirst.« Sie schien die Ängste ihres Bruders gewohnt zu sein und klang, als würde sie einem nörgelnden Kind mal wieder seinen Willen lassen. Gleichzeitig hatte ihre Stimme einen rauen Unterton, der sich für Mikhail sehr wenig geschwisterlich anhörte. Mikhail zögerte. Er hatte es immer ernst genommen, wenn er sein Wort gab, und er wollte keinen Eid schwören, den er nicht halten konnte. Aber wem er auch von diesem Erlebnis erzählte, man würde ihn ohnehin für ebenso verrückt wie Derik halten. Außerdem wusste niemand, dass er und Dyan auf Burg Elhalyn weilten, es wäre also nicht sehr schwierig, die Sache geheim zu halten. Und er war so neugierig auf die Worte des Geistes, dass er alles versprochen hätte. »Ich schwöre, dass ich niemandem von diesem Abend erzählen werde.«
Neben ihm rutschte Dyan auf seinem Stuhl hin und her. »Auch ich schwöre, dass ich niemandem etwas sagen werde.« In seiner Stimme lag eine gewisse Heftigkeit, und Mikhail wusste, dass er meinte, was er sagte. Ich werde die Sache so schnell wie möglich vergessen! »Siehst du?«, sagte Priscilla erfreut.
»Schwüre kann man
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