Die Schattenmatrix - 20
daran gedacht? Er wusste, dass er deshalb nicht daran gedacht hatte, weil er den Gedanken nicht ertrug, dass Margueridas Mutter vielleicht schon bald nicht mehr lebte. Das macht nichts. Aber die Idee war nett - Mik, würde es dir viel ausmachen, falls wir einmal einen Sohn bekommen, wenn wir ihn Domenic nennen?
Mikhail wurde von tiefem Schmerz erfasst, aber auch von der Gewissheit, dass Margueridas Idee richtig war. Und er hatte eine Ahnung, dass dieser Domenic, falls er je zur Welt kam, vielleicht lange genug leben würde, um ein echtes Schicksal zu erfüllen anstatt jung zu sterben oder ermordet zu werden, wie Domenic Lanart-Alton, nach dem die Alars ihren Sohn benannt hatten. Aller guten Dinge sind drei, hieß es. Und er tadelte sich ein wenig, weil er so abergläubisch und betäubt vor Erschöpfung gewesen war. Nein, Marguerida. Das fände ich wundervoll!
Darüber bin ich aber froh. Ich hatte schon Angst, dir könnte die Idee nicht gefallen.
Sie ist wunderbar und passend. Anscheinend triffst du instinktiv immer die richtigen Worte, meine Liebste.
Das sagst du jetzt nur, weil ich mir dich als Geliebten ausgesucht habe! Er spürte ihr unbeschwertes Lachen. Aber du schläfst mir noch gleich ein! Geh jetzt zu Bett! Gute Nacht, mein Mikhail, mein Geliebter. Schlaf gut.
Gute Nacht, Marguerida.
Zwei Tage später brachen Margaret und Lew Alton von Arilinn auf. Der Morgen war bewölkt, und die Luft war so kühl wie seit Tagen nicht mehr. Dorilys war ungewöhnlich lebhaft, als würde die frische Herbstbrise sie beleben. Lew ritt einen großen schwarzen Hengst mit einer weißen Blesse, ein älteres Pferd, dem die Mätzchen der Stute lästig zu sein schienen, denn er schnaubte ständig in ihre Richtung. Margaret war froh, dass sie den Staub von Arilinn endlich aus den Kleidern schütteln konnte, obwohl der Abschied von Liriel sehr traurig gewesen war. Sie wusste nicht, wann sie ihre Base wieder sehen würde. Sicher erst in ein paar Monaten, und ihr war jetzt schon klar, dass sie Liriel sehr vermissen würde. Aber das war wirklich der einzige Wermutstropfen, und falls sie Mestra MacRoss oder einige der anderen Leute aus dem Turm nie wieder sehen sollte, wäre sie durchaus zufrieden.
Domenics Tod hatte Margaret mehr beunruhigt, als sie vorausgesehen hatte. Irgendwie war es ihr gelungen, Ariel vor ihrer Abreise aus dem Weg zu gehen, obwohl sie gerne ihr aufrichtiges Beileid ausgesprochen hätte. Aber Liriel, die sich immerzu mit Ariels Schmerz beschäftigen musste, versicherte ihr, dass eine Begegnung mit Margaret ihre Schwester nur quälen würde. Margaret weinte beim Packen, ihre Gefühle sprangen wild zwischen Wut und Kummer hin und her. Warum, fragte sie sich, nahm überhaupt jemand das Risiko auf sich, Kinder zu haben, wenn ihnen so schreckliche Dinge zustoßen konnten? Eine solche Frage war ihr bisher nicht in den Sinn gekommen, was sie ein wenig beunruhigte, bis sie sich klar machte, dass ihre eigentliche Frage lautete, ob sie selbst ein solches Risiko auf sich nehmen konnte.
Denn trotz ihrer Äußerung gegenüber Mikhail, dass sie ihr Kind einmal Domenic nennen wolle, erschreckte sie die Vorstellung, Kinder zu bekommen. Nicht nur der Gedanke, schwanger zu werden, stieß sie ab, sondern auch der eheliche Vollzug, die pure Fleischeslust, die einer Schwangerschaft vorausging. Sie wusste, dass sie nun zwar den Schatten los war, den Ashara Alton über ihre Kindheit geworfen hatte, aber sie schauderte immer noch bei dem Gedanken an Sex. Sie fürchtete sich maßlos davor, selbst wenn sie sich dabei Mikhail als ihren Partner vorstellte. Sie kam im Geiste bis zu dem Punkt, an dem sie sich auszog, aber von da an lief es ihr eiskalt über den ganzen Körper, und die Kehle schnürte sich zu, dass sie kaum noch Luft bekam.
Sie hatte noch nie einen Mann geküsst, bevor sie hoch über der Stadt Thendara ihre Lippen auf Mikhails presste. Es war wundervoll und erschreckend zugleich gewesen. Vielleicht war es gut so, dass Dom Gabriel und Lady Javanne einer Heirat zwischen ihr und Mikhail äußerst ablehnend gegenüberstanden, denn sie befürchtete, sie könnte im letzten Augenblick kneifen. Ihr gesamtes Erwachsenenwissen über die ganze Sache stammte aus Videos, die sie gesehen hatte, und was sich da abspielte, war ihr nicht gerade sehr anziehend vorgekommen. Es war so körperlich*. Verflucht sollte Ashara sein, weil sie Margaret in dieser Hinsicht zum Krüppel gemacht hatte! Dieser Gedanke war jedoch so dämlich, dass sie leise
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