Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
Vom Netzwerk:
dich in irgendeiner Weise gefährlich gewesen wäre. Aber es hat funktioniert, oder nicht?« Fiorella hob triumphierend die Hand, in der sich die Traumgondel befand. »Ich wusste es! Das ist der Beweis. Er muss etwas mit Leonardos Tod zu tun haben. Dein Großvater hätte ihm niemals freiwillig die Gondel überlassen.«
    Francesca musste zugeben, dass der alte Antiquar vielleicht nicht ganz so unschuldig war, wie sie anfangs angenommen hatte. Vielleicht war Fiorellas Verdächtigung doch nicht nur ein Hirngespinst …
    »Aber wie sollen wir ihm die Wahrheit entlocken? Meinst du, er gibt mir gegenüber einfach zu, dass er Großvaters Mörder ist?«, fragte sie zweifelnd.
    Fiorella dachte einen Moment lang nach. »Dass er dir die Gondel gegeben hat, hat etwas zu bedeuten. Er will dir helfen und setzt dabei sogar seine Freiheit aufs Spiel. Er hat ein schlechtes Gewissen.«
    »Logisch, wenn er tatsächlich Großvater umgebracht hat!«
    »Nein, da ist noch etwas anderes.« Fiorella schüttelte denKopf. »Cecilias Selbstmord hat ihn damals sehr getroffen, fast noch mehr als Leonardos Tod. Er wirkte bei Cecilias Beerdigung völlig verzweifelt.« Fiorella tippte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich an die Lippen. »Ich frage mich, warum.«
    Francesca ließ ihren Blick durch das Caffè Florian schweifen. Die Gäste an den anderen Tischen lasen Zeitung, tranken Espresso, unterhielten sich oder beobachteten die Fußgänger auf dem Markusplatz. Alles wirkte so normal und friedlich. Es stand in völligem Gegensatz zu dem, was Francesca gerade erlebte. Vor wenigen Augenblicken hatte sie erfahren, dass ihr ein unheilvolles Schicksal vorherbestimmt war, und nun stellte sie zusammen mit ihrer Großmutter auch noch Mutmaßungen über die Mordmotive Baldinis auf.
    »Wir fischen im Trüben!«
    Fiorella sah sie verständnislos an. »Was meinst du damit?«
    »Dass das alles nur wilde Spekulationen sind. Es gibt nur einen Weg, etwas herauszufinden: Ich werde mit Baldini sprechen, wenn ich ihm das nächste Mal das Essen bringe. Vielleicht kann ich ihm etwas über die Traumgondel oder dieses mysteriöse Buch entlocken.«
    »Du hast wahrscheinlich recht. Da er dir die Gondel geschenkt hat, scheint er dich zu mögen.« Ein besorgter Ausdruck legte sich auf Fiorellas Gesicht. »Aber du musst auf dich aufpassen, meine Kleine! Wenn es gefährlich werden sollte, rennst du weg.«
    »Versprochen!«
    Fiorella nickte zufrieden. »Und erinnere dich daran, worum ich dich anfangs gebeten habe: zu keinem ein Wort. Niemand aus der Familie weiß von diesem Fluch. Dein Großvater wollte nicht, dass seine Töchter damit belastet werden, und auch ich halte mich daran. Abgesehen davon«, Fiorella grinste spitzbübisch, »würde dir sowieso keiner glauben.«
    Sie ergriff Francescas Arm und beugte sich zu ihr. »Wir beide, du und ich, werden beenden, was dein Großvater angefangen hat«, sagte sie in feierlichem Ton. »Als Erstes werden wir Baldini überführen und dann finden wir heraus, was für eine Schuld die Medicis auf sich geladen haben, um mit solch einem Schicksal gestraft zu werden. Denn ich werde nicht zulassen, dass auch du daran zugrunde gehst.«
    »Danke, Nonna.«
    Fiorellas Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Sofort wurde es Francesca leichter ums Herz. Sie wusste, Fiorella würde nicht eher locker lassen, bis sie die Sache zu Ende geführt hatten. Plötzlich konnte sie dieser ganzen Geschichte auch positive Seiten abgewinnen: Sie war nicht mehr alleine, die Geheimnistuerei hatte ein Ende und nun wusste sie ihre Großmutter an ihrer Seite! Und da Baldini ihr die Traumgondel gegeben hatte, konnte sie sich in der kommenden Nacht zum ersten Mal seit einer Ewigkeit ohne Angst ins Bett legen und auf angenehme Träume hoffen.
    Zufrieden aß Francesca nun doch ein Stück von der Torte und ließ die Schokoladencreme genüsslich auf der Zunge zergehen, sie schmeckte herrlich! Es gab nur noch eine Kleinigkeit, die sie beschäftigte.
    »Und warum erzählst du mir ausgerechnet jetzt alles?«, fragte sie Fiorella. »Wieso hatte es nicht Zeit bis zu meinem Besuch im nächsten Sommer?«
    Fiorella zögerte.
    »Ich hatte eine Todesvision«, antwortete ihre Großmutter mit sichtlicher Überwindung. »Dieses Mal war es eine echte Vision, Francesca. Sie wird eintreffen, sogar sehr bald.«
    Der Ernst in ihrer Stimme ließ Francesca alarmiert aufsehen.
    »Und wer muss schon bald sterben?«
    Fiorella schwieg einen quälend langen Augenblick, ehe sie sagte: »Ich

Weitere Kostenlose Bücher