Die Schatzsucher-Mafia schlägt zu
mich recht
erinnere, von seinem Neffen übernommen. Der mußte nämlich — wegen einem Dutzend
Verkehrsdelikten — den Führerschein abgeben. Es war zwar ein anderer Richter,
der ihn solchermaßen bestraft hat. Aber Bleichröder wäre noch strenger
gewesen.“
„Hin und wieder hört man“,
sagte Klößchen, „daß so ein Kfz-Diebstahl nur vorgetäuscht wird. Damit der
Täter dann fein raus ist, wenn er mit dem Wagen ein Verbrechen begeht. Beim
Richter Bleichröder können wir das ausschließen, wie?“ Glockner unterdrückte
ein Lächeln. „Dafür lege ich die Hand ins Feuer, Willi. Die Täter muß ich
woanders suchen.“ Aber wo? dachte Tim. Lodfellners Täterbeschreibung sagt Gabys
Vater nichts. Kantiger Typ, tiefliegende Augen, schwarzer Schnurrbart — ist ein
bißchen wenig. Trifft zu auf einige Hunderttausend hier in der Stadt. Trotzdem
— die Typen müssen zu fassen sein. Ein unverschämter Raub! Kann ja jeden
treffen, der irgendwas Wertvolles der Post anvertraut.
Klößchen gähnte. Auch Tim
spürte, wie Müdigkeit in ihm aufstieg.
„Ich kann hier nicht weg“,
sagte Glockner, „sonst hätte ich euch ins Internat gefahren. Also, auf die
Räder! Und ab Richtung Bett!“
„Ich wünschte“, murmelte
Klößchen, „es käme mir entgegen. Dann würde ich sogar im Freien übernachten.“
Sie verabschiedeten sich und
stiegen wieder auf die Drahtesel. Dieser Regen! Woher all das Wasser nur kam?
Sie fuhren in südliche
Richtung, durch Stadtteile und Vorstädte, bis schließlich Landluft den
Großstadtmief ablöste. Die letzten Häuser. Dann die Schwärze der Nacht. Die
Jungs radelten über die Zubringer-Straße, die von Bäumen gesäumte Chaussee,
denn die berühmte Internatsschule liegt außerhalb der Stadt, schlappe 20
Minuten von den letzten Häusern entfernt.
Durchs Tor, Tretmühlen in den
Fahrradschuppen, zum Haupthaus. Der EvD hatte die Eingangstür offen gelassen,
ausnahmsweise, lag aber selbst schon im Bett: drüben im Pauker-Silo, wo die
Lehrer und Erzieher wohnen und jetzt nur dunkle Fenster in die Dunkelheit
starrten.
„Bitte, leise!“ sagte Tim.
Denn Klößchen schlurfte, als
hätte er Blei an den Füßen. „Das sagt sich so leicht. Aber ich falle gleich
um.“
„Nur noch die Treppe. Dann
lächelt dein Bett dich an.“
„Laß es lächeln. Ich lege mich
hier in den Flur.“
„Los, die Treppe hoch!
Faultier!“
Klößchen bewältigte die Stufen,
aber mit geschlossenen Augen.
Im zweiten Obergeschoß vertrat
er sich bei der Flurbiegung und rammte stirnig die Wand.
Ein Schmerzensschrei!
Tim war ein paar Schritte
voraus und drehte sich um.
„Pst! Die anderen schlafen,
Willi! Tat weh, wie? Das kommt davon, wenn du blinder Ochse spielst!“
„Wegen der Müdigkeit!“ Klößchen
rieb sich die Stirn. „Außerdem wollte ich mal wissen, wie Oliver zu Mute ist.
Aber der hat ja jetzt einen Blindenstock. Wie?“
„Vermutlich, bis zur Operation.
In vier Wochen ist er wieder okay — das hat seine Mutter dem Direktor
geschrieben.“
„Brutal, was ihm da passiert
ist in Afrika“, nickte Klößchen. Der Zusammenstoß mit der Wand hatte ihn wieder
munter gemacht — wie ja auch Kopfnüsse angeblich das Denkvermögen fördern.
„Morgen trifft er im
Krankenhaus ein“, sagte Tim. „Dann besuchen wir ihn sofort.“
Der, von dem sie redeten, hieß
Oliver Kronschmidt. Er war 14, ein ehemaliger Klassenkamerad der TKKG-Bande.
Doch vor einem Jahr hatte man Olivers Vater — die Familie stammte hier aus der
Großstadt — nach Afrika versetzt: in einen der neuen Staaten mit
unaussprechlichem Namen. Zwar gab es auch dort, wie überall auf dem Schwarzen
Kontinent, Stammesfehden, Rebellen und Gemetzel; aber die Regierung war
halbwegs demokratisch und nach Europa orientiert. Der Staatspräsident hatte als
junger Mann in Heidelberg studiert, sprach deutsch und gründete in seiner
Hauptstadt ein Goethe-Institut. Olivers Vater, der Herr Kronschmidt, wurde
dorthin berufen als Leiter und nahm seine Familie mit.
Soweit, so gut. Und für Oliver
war es anfangs das große Abenteuer. Doch dann, vor einigen Wochen, wurde er von
einer seltsamen Krankheit befallen. Irgendwelche Bakterien oder Viren setzten
sich fest unter den Lidern am Auge. Oliver drohte zu erblinden. Retten konnte
ihn nur eine Operation mit entsprechender Nachbehandlung hier in der Großstadt:
bei dem bekannten Spezialisten Professor Litzgraber. Zu ihm war Oliver jetzt
unterwegs, in Begleitung seiner Schwester Hanna. Nach der
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