Die Scheune (German Edition)
im Begriff wieder zu schreien, als ich Linda hereinkommen sah. Sie nahm mich in den Arm, und ich hörte ihren Atem. Ich fühlte ihren Bauch und beruhigte mich. Ihr und dem Baby ging es gut. Dr. Bigger, der Chefarzt des Krankenhauses, trat hinzu und erzählte mir noch einmal von den gestrigen Geschehnissen. Ich war schockiert, als ich hörte, dass Danes immer noch lebte.
„Wie schwer ist seine Verletzung?“ Es ließ mir keine Ruhe.
„Er hat einen Streifschuss an der rechten Schläfe abbekommen und einen ungefährlichen Bauchschuss.“
„Dr. Bigger, Dane Gelton ist psychisch sehr krank. Er muss eingesperrt werden!“
„Ja, Dr. Clark“, beruhigte er mich und legte seine Hand auf meine. „Wir haben alles unter Kontrolle.“
Ich rief: „Kontrolle? Es gibt keine Kontrolle für ihn! Der steht Ihnen glatt mitten im OP auf und verschwindet!“
„Er ist heute Morgen in eine Psychiatrie eingeliefert worden. Dort wird er sicherlich entsprechend versorgt werden. Wir sind über das Ausmaß seiner Taten im Bilde.“
Ich stieß ein verächtliches „Ha!“, aus. Im Bilde! Geradezu lächerlich!
„Kennen Sie die Universität von British Columbia und ihr Forschungsprogramm?“, fragte ich aufgebracht.
*
Die Stätte, in der Dane Gelton den Rest seines Lebens verbringen sollte, nannte sich groteskerweise Heaven .
Linda begleitete Sarah, als sie die große Eingangshalle der städtischen Psychiatrie von Kansas City durchschritt. Sarah spürte etwas Beruhigendes in sich. Hier also fand Dane die Hilfe, die er brauchte. Es war ihr unbegreiflich, was sich alles zugetragen hatte. Was hätte sie schon verhindern können? Nahezu zwanzig Jahre lebte er mit seiner Seele in einer Welt des Wahnsinns.
Eins war Sarah geblieben: Immer noch liebte sie einen Teil von ihm; sie liebte das Kind, das er vor seinem vierten Lebensjahr einmal war.
Nach einem aufwendigen Formularkrieg und der Aufklärung über Danes weitere Behandlung fand sie endlich den Weg in sein Zimmer, was man eben so Zimmer nennen konnte. Im dritten Sicherheitstrakt der Klinik standen sie vor einer großen, auf Hochglanz polierten, silbernen Stahltür. Von innen war sie dick gepolstert, wie auch alle anderen Wände in diesem Trakt. Hinter der Tür befand sich ein kleines Zimmer. Es war steril. Das einzige Mobiliar war ein Bett. Darin lag Dane. Eine weiße Bettdecke hüllte ihn bis zum Hals ein. Sie sah, dass er die Haare frisch geschnitten hatte, worauf sie den Arzt fragend ansah. Der zuckte nur ratlos mit seinen Schultern.
„Ist er wach?“, fragte sie leise.
„Das ist möglich. Wir haben ihn mit starken Medikamenten versorgt. Das führt zu einem Dämmerzustand, so dass es durchaus für ihn möglich ist, uns zu hören, aber nicht zu reagieren.“
„Was ist, wenn er es schafft aufzustehen?“
Linda war erstaunt über Sarahs gefasste Haltung.
„Sie meinen die Gurte?“
„Ja, Gurte.“
Der Arzt hob die Bettdecke an. Sarah nahm ein leichtes Zucken von Danes Körper wahr und sah die Gurte, die beide Hände mit den Füßen verband. Sein Leib war mit einem breiten Gurt an das Bett gefesselt. „Was wird weiter passieren?“, fragte sie.
„Wissen Sie, bei der Krankengeschichte Ihres Mannes werden wir erhebliche Einschränkungen bezüglich einer Behandlung haben, wenn Sie verstehen.“
Sarah verstand ihn durchaus.
„Er wird auf Nichts eingehen wollen. Gewalt bestimmt seine Gedanken. Eine Therapie ist unmöglich. Dennoch werden wir es nach einiger Zeit mit ihm versuchen. Zuvor werden wir ihn aber medikamentös behandeln, um ihn im Ausführen von Gewalttätigkeiten zu hemmen. Wenn er über längere Zeit ruhig bleibt, kann er in ein paar Wochen frei auf der Station herumlaufen. Ich möchte aber jetzt noch keine Entscheidung treffen.“ Er sah Sarah an. „Dennoch würde ich es begrüßen, wenn Sie ihn hin und wieder besuchen kämen, denn in Hinsicht des nun eingeschränkten Lebens hat auch er sicher noch ein kleines Stück heiler Seele in sich. Das dürfen wir nicht vergessen.“
Jetzt weinte Sarah und nickte. „Sicher.“
Sie trat an sein Bett und streichelte seine Wange. Er war frisch rasiert und roch nach Seife. Ein Duft, den sie eigentlich immer von ihm gewohnt war. Sie sah das Blinzeln seiner Augen und die Kraftlosigkeit, diese zu öffnen. Aber Sarah verstand ihn und versprach ihm, so oft vorbeizuschauen, wie es ihr möglich war. Linda entfernte sie nach einiger Zeit nachdrücklich von seinem Bett. Sarah glaubte noch die Bewegung seiner Hand
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