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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und um sie herum Dunkelheit herrschte. Wo war sie? Mit wem hatte sie eben gesprochen?
    Wieder war es ein Traum gewesen …
    Mit angehaltenem Atem lauschte sie und hörte durch die Plane ihres kleinen Zelts Pferde durchs Lager galoppieren. Das Gebrüll von Männern, Aufschreie von Frauen.
    Ulrika runzelte die Stirn. Der Beginn der Morgendämmerung war noch kaum auszumachen. Bis zum Aufbruch dauerte es bestimmt noch zwei Stunden.
    Sie wickelte sich ihren Schal um den Hals, und ohne das lange Haar zu bändigen, trat sie ins Freie, spähte durch wabernden Nebel und Rauch. Furchterregende Gestalten marschierten durch das Lager, schwangen Schwerter und brüllten Befehle. Römische Legionäre, die die hier Rastenden aus dem Schlaf rissen, sie vom Frühstück abhielten, ihre Gebete unterbrachen.
    Im fahlen Licht des jungen Morgens, der so turbulent begann, gewahrte sie Timonides, der auf sie zukam. »Was ist denn los?«, fragte der Astrologe mit vollem Mund. In der Hand hielt er ein fettes Lammkotelett, von dem er bereits einen Brocken herausgerissen hatte. Seine Tunika war vorn mit Honig bekleckert; der Grieche, dem das Essen wieder schmeckte, hatte demnach auch schon den Weizenfladen zugesprochen.
    »Keine Ahnung«, flüsterte Ulrika.
    Naserümpfend beobachtete Timonides, wie die Legionäre in ihrem roten Umhängen das überfüllte Lager durchkämmten, in Zelte und Planwagen eindrangen, Heuballen umwarfen, mit ihren Schwertern in Bottichen herumstocherten, in Warenbündel stießen. »Sie scheinen etwas zu suchen«, folgerte er und biss mit den ihm verbliebenen Zähnen in das würzige Fleisch.
    Oder
jemanden
, überlegte Ulrika.
    »Wo ist dein Meister?«, fragte sie, während die Legionäre rücksichtslos Leute aus Zelten schleiften, ihnen Fackeln dicht vors Gesicht hielten, um sie zu mustern, ehe sie sie wieder wegstießen.
    »Sebastianus wird bald hier sein. Geh wieder ins Zelt, Mädchen. Mit deinem hellen Haar und diesem Symbol, das du da um den Hals hängen hast …«
    Ulrika griff sich an den Busen, an dem sie das germanische Kreuz Odins trug, und schaute dann über den Rhein – einen breiten, flachen, silbernen Strom, der ihr im Dunst des frühen Tages unwirklich erschien. Die römische Flotte, große Schiffe, die unter Segeln oder dem rhythmischen Schlag von Rudern dahinglitten, patrouillierten das Gewässer und gemahnten ständig an Roms mächtige kaiserliche Präsenz in diesem nördlichen Land. Jenseits des Flusses und bis zum Horizont erstreckten sich geheimnisumwitterte tiefgrüne Wälder.
    Ulrika wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Lager und den Eindringlingen zu. Der Handelszug von Sebastianus Gallus hatte zusammen mit mehreren kleineren Karawanen und Gruppen von Händlern und Kaufleuten in einer Garnison, der sogenannten Festung Bonna, haltgemacht. Es brauchte nur noch eine Tagesreise gen Norden, bis sie Colonia erreichten, den Geburtsort von Kaiserin Agrippina und die Gegend, in der die Aufstände wieder aufgeflammt waren. Seit sie das in Gallien gelegene Lugdunum verlassen hatten und in östlicher Richtung der Straße um die Ausläufer eines Gebirges herum gefolgt waren, hatten sich in der Karawane Nervosität und Verunsicherung breitgemacht. Lugdunum war ein bedeutender Handelsplatz der römischen Provinzen, eine Stadt mit marmornen Türmen, Festungswällen und Straßen, die sich wie die Speichen eines Rades in alle Richtungen erstreckten. Viel bereiste Straßen waren das, auf denen man auch von Kämpfen im Osten erfuhr, Gerüchte und höchst unterschiedliche Berichte aufschnappte, ohne dass jemand genau sagen konnte, was in Germania Inferior eigentlich los war – oder bevorstand oder sich bereits ereignet hatte.
    Nach Tagen zunehmend düsterer Vorahnungen hatten sie fünfzehn Meilen von Ulrikas Ziel entfernt angehalten. Wo befanden sich Gaius Vatinius und seine Legionen? Es hieß, er führe seine Truppen über die Alpen, eine weit gefährlichere Route als die des Handelszuges, dafür wesentlich kürzer – viele tausend Mann wälzten sich da wie eine tödliche Flutwelle gen Norden, drangen mit Pferden und Waffen und Kriegsgerät in die unerforschten Wälder ein, in denen Ulrikas Vorfahren siedelten. Wie weit waren diese Legionen noch entfernt? Wie viel Zeit blieb Ulrika, ihren Vater ausfindig zu machen und ihn zu warnen?
    Und wo, fragte sie sich, während sie die Garnisonssoldaten im Auge behielt, die sich in ihren Rüstungen Zutritt in die Unterkünfte verschafften und mit ihren grobgenagelten

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