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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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begann, kratzte sich ein ledergesichtiger Zenturio am Gemächt und stierte müden Blicks auf das Schauspiel, das sich vor seinen Augen abspielte. Fünfundzwanzig Jahre lang diente er schon bei Kriegszügen an allen Grenzen des Reiches. Jetzt sehnte sich der Soldat danach, sich mit seiner dicken Frau auf einen Weinberg in Süditalien zurückzuziehen, um fortan, wie er hoffte, ein ruhiges Leben zu führen und seinen Enkeln Geschichten vom Krieg zu erzählen. Diese Sucherei nach rebellischen Barbaren – in einem Handelszug! – führte doch zu nichts. Der ganze militärische Vorstoß nördlich der Alpen war seiner Meinung nach unsinnig. Germanien war zu weiträumig und seine Bewohner zu stolz, um sich jemals Rom zu unterwerfen. Aber der Zenturio stellte keine Befehle in Frage. Er tat, was von ihm verlangt wurde, und strich dafür den ihm monatlich zustehenden Sold ein.
    Nun fuhr er hoch. Sein geschultes Auge verriet ihm, dass ein Problem aufgetaucht war.
    »Was ist hier los?!«, vernahm er eine donnernde Stimme. Sebastianus Gallus preschte im Galopp aus dem Wald, sprang von seiner Stute und herrschte den Zenturio an: »Was haben diese Soldaten hier zu schaffen?«
    »Wir sind auf der Suche nach Aufständischen, Herr«, sagte der Offizier, der in dem jungen Reiter mit dem bronzefarbenen Haar, der erlesenen weißen Tunika und dem kleidsamen blauen Umhang einen Mann von Rang und Bedeutung erkannte.
    Mit finsterem Blick schaute Sebastianus auf das Durcheinander. Es dauerte bestimmt eine Stunde, bis wieder Ordnung hergestellt wäre, und bis zum Aufbruch eine weitere. Aber die Karawane musste unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit Colonia erreichen. »Auf wessen Befehl?«, polterte er. »Und warum wurde ich nicht informiert?«
    »Befehl von General Vatinius, Herr«, gab der Zenturio lustlos Auskunft und dachte an den Weinberg und warme Tage unter Italiens Sonne. »Er ordnete überraschend eine Suche an, um der Flüchtigen schneller habhaft zu werden. Ohne Vorwarnung haben sie auch keine Chance zu entwischen.«
    »Wir verstecken hier niemanden«, knurrte Sebastianus und ließ den Zenturio stehen.
    Dass er schlecht gelaunt war, lag nur zum Teil an diesem unerwarteten Zwischenfall im Lager. Er hatte die Nacht in einem nahen Bauernhof verbracht, als Gast eines römischen Landwirts, den er seit Jahren kannte, aber nicht gut geschlafen. Das lag an diesem Mädchen. Ulrika. Gestern hatte sie ihre Absicht kundgetan, den Zug zu verlassen, sobald sie in Colonia ankämen, um sich dann allein auf die Suche nach dem Volk ihres Vaters zu begeben. Darauf war Sebastianus nicht gefasst gewesen. Er hatte vorgehabt, ihr dabei zu helfen, eine Gruppe aus ortskundigen germanischen Führern, Leibwächtern und Sklaven zusammenzustellen – die sicherste Begleitung, die er für ihr Vorhaben würde auftreiben können.
    Aber
allein
losziehen? Hatte sie den Verstand verloren? Begriff sie nicht, welches Risiko sie damit einging?
    Wenn er sich nur nie darauf eingelassen hätte, sie mitzunehmen! Aber Timonides hatte steif und fest behauptet, den Sternen zufolge sei ihr Weg mit seinem verbunden. Und in den täglichen Horoskopen tauchte sie manchmal erneut auf, war weiterhin verflochten mit seinem Schicksal. »Wann werden sich unsere Wege trennen?«, hatte er im Lager außerhalb von Lugdunum gefragt. Timonides hatte lediglich mit den Schultern gezuckt und dann gemeint: »Das werden uns die Götter wissen lassen.«
    Trotz seiner Bedenken, ein alleinreisendes junges Mädchen in einer Karawane könnte problematisch werden, hatte sich gezeigt, dass es mit Ulrika keinerlei Schwierigkeiten gab. Sie war für sich geblieben, hatte gelesen und war spazieren gegangen – stets sittsam in ihre Palla gehüllt, die ihr gewelltes Haar und die nackten Arme bedeckte. Ohne zu klagen saß sie in einem von zwei Pferden gezogenen Kastenwagen, eine rumpelnde Kutschfahrt, über die sich die anderen Passagiere, wenn sie am Ende des Tages wie gerädert ausstiegen, jedes Mal aufs Neue beklagten. Ulrika hingegen verlor kein Wort darüber, sondern suchte sich einen Platz am Lagerfeuer, derweil Sebastianus’ Sklaven ihr ein Zelt aufstellten, in das sie sich zurückziehen konnte.
    In mancher Hinsicht war sie sogar ein Gewinn für den Zug gewesen – sie hatte mehrere Kranke geheilt. Ein junges Mädchen von besänftigender, ruhiger Präsenz, mit einem eigenartigen Kasten, der mit medizinischen Wundermitteln gefüllt war. Wenn jemand ein Problem hatte, hörte sie es sich an und sagte

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