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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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dann entweder »Das übersteigt meine Fähigkeiten« oder »Dagegen kann ich etwas unternehmen«.
    Ihren Erzählungen nach hatte sie die Kunst des Heilens von ihrer Mutter erlernt. Sebastianus dagegen vermutete, dass ihre Fähigkeiten über die, die man sich durch Unterweisung erwirbt, hinausgingen, schon weil diejenigen, denen sie geholfen hatte, erklärten, sie habe genau gewusst, was ihnen gefehlt habe, ohne dass sie ihr Gebrechen ausführlich hätten beschreiben müssen.
    Als er durch das aufgescheuchte Lager ging, ärgerliche Reisende beschwichtigte und ihnen versicherte, dass die Soldaten bald weg wären, entdeckte er durch Rauch und Nebel hindurch Ulrika, die sich vor ihrem eigenen kleinen Zelt aufhielt und mit Timonides plauderte. Das lange hellbraune Haar hing ihr offen über Schultern und Rücken. Sebastianus war verblüfft, pflegte sie es doch für gewöhnlich zu einem griechischen Knoten zu schlingen und unter ihrem Schleier zu verbergen.
    Noch verblüffter war er, als ihn ein heftiges sinnliches Verlangen überkam.
    Energisch verbannte er das junge Mädchen aus seinen Gedanken – schließlich würden sie sich morgen trennen – und kümmerte sich weiter um seine Sklaven und Arbeiter und all die, die unter seinem Schutz reisten; zwischendurch blieb er stehen, um Heuballen aufzurichten und die allgemeine Ordnung wiederherzustellen. Gleichzeitig dachte er intensiv nach. Normalerweise benötigte er für die Strecke bis zur Festung Bonna sechzig Tage; diesmal aber hatte er sie in fünfundvierzig bewältigt, weil er zur Eile angetrieben und sich nicht so ausgiebig wie sonst in den Dörfern und Städten auf ihrem Weg auf den Austausch von Waren eingelassen hatte. Wenn er in Colonia gleich wieder umkehrte, konnte er mit seiner Karawane vielleicht nach abermals fünfundvierzig Tagen wieder in Rom sein, was ihm eine hervorragende Chance einräumen würde, die anderen vier Mitbewerber vor dem Ziel – dem kaiserlichen Palast und einer Audienz bei Kaiser Claudius – abzufangen.
    Nur: Als Erster dort anzukommen, reichte nicht aus. Sebastianus musste sich noch durch irgendetwas Besonderes in den Augen des Kaisers auszeichnen. Was konnte er mit nach Rom nehmen, das ihn von Badru, Sahir, Adon und Gaspar abhob, die garantiert mit prachtvollen Trophäen für Claudius aufwarteten?
    Auf seinem Rundgang durchs Lager entging ihm nicht, dass sich jetzt zwei Legionäre Ulrika näherten, die in stolzer Haltung vor ihrem Zelt stand. Rasch machte er sich zu ihr auf, hörte sie beim Näherkommen gerade sagen: »In diesem Zelt ist niemand.«
    »Tut uns leid, junge Frau, aber davon müssen wir uns schon persönlich überzeugen.«
    Ulrika rührte sich nicht vom Fleck. »Ich verstecke keine Verbrecher.«
    »Tritt beiseite.«
    Sie reckte das Kinn. »Auf wessen Anordnung handelt ihr?«
    »Auf die von General Vatinius. Zufrieden? Wenn du also jetzt …«
    Sie ließ die Hände sinken. »Von
wem
? General Vatinius? Aber der ist doch meilenweit von hier entfernt …«
    »Der Befehlshaber befindet sich mit seinen Legionen in Colonia.«
    Ulrika schluckte. »Vatinius ist bereits
hier

    Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Zu Sebastianus’ Überraschung trat sie beiseite und sagte zu den Soldaten: »Dann seht nach. Ihr werdet nichts finden.«
    Obwohl sie sich bemühte, gelassen zu bleiben, spürte Sebastianus, wie erregt sie war. »Du machst dir Sorgen um die Familie deines Vaters«, sagte er, derweil die Legionäre kurz einen Blick in das Innere des Zelts warfen. Wie wünschte er sich, ihr irgendwie beistehen zu können! Er hatte einiges über die Legionen in Erfahrung gebracht, die seit kurzem in Colonia stationiert waren. Von Gerüchten über Zusammenstöße war die Rede, wobei die Informationen eher auf Wunschdenken denn auf Tatsachen beruhten.
    Der Blick, mit dem Ulrika ihn bedachte, verriet Panik. »Ich muss sie warnen«, flüsterte sie.
    »Sie warnen?«
    Kaum dass die Legionäre das Zelt wieder verlassen hatten, schlüpfte Ulrika ohne ein weiteres Wort hinein. Wie benommen blieb Sebastianus noch einen Augenblick lang stehen, dann machte er kehrt und rief nach Timonides.
     
    Gleich nachdem sein Herr das Lager betreten hatte und es zu einem Wortwechsel mit dem Zenturio gekommen war, hatte Timonides sein Lammkotelett beiseitegelegt und war in das Zelt geeilt, das er sich mit seinem Sohn Nestor teilte, um sich auf die morgendliche Sterndeutung vorzubereiten. Auf dieser Sitzung bestand sein Herr als Erstes, wenn er ins Lager

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