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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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an Hindernissen anzuecken, und ließ ihn auf Nestors Schädel krachen.
    Nestor stürzte zu Boden. Heulte auf. Der Schmerz war mehr, als er ertragen konnte. Warum hatte der Mann ihn geschlagen? Und dann kam Rika hinzu, fing den zweiten Stockhieb ab, stellte sich schützend vor Nestor. »Lass ab von ihm«, beschwor sie den Angreifer. »Er hat ein kindliches Gemüt. Und außerdem: Was fällt dir ein, jemand des Diebstahls zu bezichtigen, selber aber gutherzigen Bürgern das Geld aus der Tasche zu ziehen, indem du vorgibst, blind zu sein?«
    Und schon kniete sie auf dem Boden, redete beruhigend auf Nestor ein, strich ihm über die schmerzende Stelle am Kopf, aus der jetzt Blut sickerte. Wie immer verebbte der Schmerz unter Rikas sanfter Berührung. Nestor sog den Duft ihres Haars und ihrer Kleider ein wie den Duft köstlicher Speisen und fühlte sich bereits besser. Seine Tränen versiegten, seine Ängste schwanden, als er ihrer Stimme lauschte und ihre sanfte Berührung spürte.
    Wenn sie ihn doch in die Arme nehmen und nie wieder loslassen würde! Nestor, der bislang lediglich zwei Arten von Gefühlsregungen kennengelernt hatte, fühlte jetzt, wie sich eine dritte wie eine Sonnenblume in seinem Herzen einnistete.
    Nestor hatte sich verliebt.
     
    Im Lager der Karawane war Sebastianus im Begriff, mit einem Weinhändler einen Handel abzuschließen, als Ulrika und ihre Begleiter zurückkehrten. Nestors Kopf war bandagiert, Ulrika wirkte verstört.
    Der Galicier ging ihnen entgegen. »Was ist passiert?«
    Ulrika schilderte ihm, was vorgefallen war. Die Nachmittagssonne zauberte, wie er feststellte, zusätzlichen Glanz in ihre Augen, deren Farbe durch das Blau ihres Gewandes noch betont wurde. Strähnen ihres honigfarbenen Haars lugten unter der Palla hervor. Ihre ganze Gestalt schien vor Energie zu sprühen, als sie sich, ohne auch nur Luft zu holen, über Krüppel ausließ, die gar keine waren, und über die Rechtschaffenheit des arglosen Nestor, um dann mit dem nächsten Atemzug auf Minervas kryptische Botschaft zu sprechen zu kommen.
    Natürlich gefiel sie ihm. Sebastianus begehrte sie. Wie gern hätte er sie liebkost, verführt, leidenschaftlich geliebt. Aber das war unmöglich. Es warteten Pflichten auf ihn. In Rom würden sie sich Lebewohl sagen.
    »He, he, nicht so stürmisch!«, hörte man Stimmen aus der Menge. Ein aufgeregter Timonides eilte auf die kleine Gruppe zu. »Eine schreckliche Nachricht, Meister!«, rief der Astrologe von weitem.
    »Was denn?«
    »Kaiser Claudius«, keuchte Timonides, »er ist tot!«
    »Tot!« Ein Schrei entrang sich Ulrika.
    »Er ist ermordet worden, wie es heißt. Zu seinem Nachfolger hat man Lucius Domitius Ahenobarbus ernannt. Angeblich geht er rücksichtslos gegen alle vor, deren Name mit Claudius verknüpft ist. Du kannst nicht nach Rom zurück, Meister! Du bist jetzt ein Staatsfeind!«

12
    Als sich Sebastianus mit seinem Tross nach Tagen, in denen immer wieder Berichte von Aufruhr und chaotischen Zuständen in der Stadt zu ihnen durchgedrungen waren, Rom näherte, war die allgemeine Stimmung mehr als gedämpft. Was, so fragten sich alle, erwartete sie dort?
    Sie waren durch eine friedliche Landschaft gezogen, die dem Anschein nach von den politischen Veränderungen verschont geblieben war: Die Bauernhäuser, die zwischen Weideflächen und Weingärten an grüne Hänge geschmiegt lagen, und die Villen der Wohlhabenden wirkten so verschlafen wie seit Hunderten von Jahren. Dennoch war Sebastianus nicht wie üblich abends in die Städte oder Dörfer entlang des Weges gegangen; er hatte den Handelszug keinen Augenblick lang verlassen, auch keine Gäste eingeladen, sondern war bei seinen Reisenden und Sklaven geblieben, hatte beschwichtigend auf sie eingeredet und ihnen versichert, alles sei unter Kontrolle. Zusätzlich zu seinen Horoskopen morgens und abends ließ er sich aber jetzt auch mittags und nachmittags die Zukunft deuten, weshalb Timonides unentwegt mit Aufzeichnungen, Kalkulationen und Instrumenten beschäftigt war. Was Ulrika anbelangte, so machte sie sich Sorgen um ihre Mutter und den Kreis der Freunde – allesamt Verbündete des ermordeten Claudius.
    Gleich würden sie am Ziel sein. Sebastianus ritt auf seiner Stute voran, dahinter folgte Ulrika in einem überdachten Wagen. Wenngleich Rom gegenwärtig ein gefährliches Pflaster war, kam es für beide nicht in Frage, die Stadt zu meiden. Ulrika wollte so schnell wie möglich zu ihrer Mutter, um sicherzustellen, dass

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