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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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das sie mit ihrer Mutter bewohnte. Es lag in Dunkel gehüllt, was aber nicht ungewöhnlich war, da Selene häufig die Abende bei ihrer besten Freundin verbrachte und auch bei ihr übernachtete. In unsicheren Zeiten wie diesen, bis der neue Kaiser die Gemüter beschwichtigt und den Bürgern zugesichert hätte, dass das Leben weitergehe wie bisher, erschien es Ulrika durchaus vernünftig, dass ihre Mutter Zuflucht in Paulinas Haus suchte.
    Sie dankte Sebastianus und wollte ihm Lebewohl sagen, aber er bestand darauf, sie ins Haus zu begleiten. Sie lehnte ab, sagte, er müsse doch in seinem eigenen Anwesen nach dem Rechten sehen und dürfe keine Zeit vergeuden. Du und ich können nicht zusammen weitergehen, raunte ihr Herz ihm zu. Noch einmal nahm sie seine Erscheinung in sich auf, das vom Schein der Fackeln erhellte bronzefarbene Haar, seine hochgewachsene Statur. Sechs gemeinsame Monate hatten sie verbracht, hatten sich Essen und Feuer geteilt, gemeinsam in einer wundersamen Höhle geschlafen. Aber ihm war bestimmt, ins ferne China zu ziehen, während Ulrike einem anderen Pfad folgen musste.
    Obwohl er sich vorgenommen hatte, sich kurz und schmerzlos zu verabschieden und zu gehen, legte Sebastianus seine Hände auf Ulrikas Arme, trat dann näher an sie heran und schaute ihr in die Augen. Nur noch einmal wollte er in diesem einladenden Blau schwimmen – wer wollte ihm das missgönnen?
    Spontan neigte er sich zu ihr hinunter, seine Lippen streiften ihre Wange. Er merkte, dass Ulrika den Atem anhielt, spürte ihr Herz pochen. Ihr Mund hob sich ihm entgegen; doch dann sah er, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, ihr über das Gesicht strömten. Seine Lippen wurden feucht davon, als er ihre Wange berührte – gehauchte Küsse, dem Schlag von Schmetterlingsflügeln ähnlich. Ihre Haut schien zu glühen, als er sie an den Schultern fasste.
    »Mögen dir die Götter wohlgesonnen sein, Ulrika«, flüsterte er an ihrem Ohr, konnte sich nicht dazu bringen, sie loszulassen, »und mögen dich die Sterne ins Glück führen. Solltest du mich jemals brauchen, lass es mich wissen.« Dann trat er abrupt einen Schritt zurück.
    Nachdem sie sich auch von Timonides verabschiedet hatte und desgleichen von Nestor – der bitterlich weinte –, wandte sich Ulrika dem Tor in der hohen Mauer zu. Da es verschlossen war, zog sie das Glockenseil und sagte, als ein ihr völlig fremder Sklave erschien: »Bitte richte Paulina, der Herrin des Hauses, aus, dass Ulrika hier ist.«
    Er rümpfte die Nase. »Paulina – wer soll das sein?«
    »Deine Herrin natürlich.« Sie blickte an ihm vorbei in Paulinas Atrium, in dem gescherzt und getrunken wurde – nicht ein einziges ihr bekanntes Gesicht. »Wessen Haus ist dies?«
    »Es gehört jetzt Senator Publius.« Damit knallte er ihr das Tor vor der Nase zu.
    Ulrika blieb fassungslos stehen. War Tante Paulinas Villa konfisziert worden? Wo waren Paulina und ihre Hausangestellten abgeblieben? Ulrikas Blick schweifte zu ihrem eigenen Haus, das im Dunkel lag und verlassen wirkte.
    Wo war ihre Muter?
    Sie rannte auf die kleine Villa zu. Starr vor Entsetzen las sie den am Tor angebrachten Hinweis, dass das Grundstück von der kaiserlichen Regierung beschlagnahmt worden sei und das Betreten eine strafbare Handlung. Dennoch brach Ulrika das Siegel auf und schlüpfte durchs Tor.
    Der Garten sah verwildert aus, von Unkraut überwuchert, die ausgetrockneten Springbrunnen sowie die Marmorbänke voller Laub. Keine Menschenseele weit und breit, weder im Atrium noch im Empfangszimmer, weder in den Korridoren noch in den Schlafzimmern. Auch der hinten gelegene Küchentrakt, die Wäschekammer und die Räume der Sklaven waren verwaist und dunkel.
    Bestürzt kehrte Ulrika ins Atrium zurück. Hatten kaiserliche Garden ihre Mutter abgeführt? Saß sie jetzt im Gefängnis – oder schlimmer noch: War sie bereits hingerichtet worden?
    Ulrika sah sich nach einer Lampe um, fand eine, die sogar noch mit Öl gefüllt war. Unter Zuhilfenahme eines Feuersteins entzündete sie sie und nahm sie mit ins Atrium. Sollte sie hierbleiben, falls ihre Mutter doch zurückkam?, überlegte sie. Wenn aber erneut Soldaten auftauchten? Allein schon durch das Aufbrechen des Siegels am Tor hatte sie sich strafbar gemacht. Und jetzt hatte sie auch noch gegen die kaiserliche Anordnung verstoßen und widerrechtlich das Haus betreten …
    Als sie ein Scharren vernahm, sprang sie auf. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung erblickte sie Erasmus,

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