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Die Schicksalsgabe

Die Schicksalsgabe

Titel: Die Schicksalsgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Rheinland gekommen, sondern
hierhergeführt
worden war.
    Ich wurde hergerufen, dachte sie, um zu erfahren, wie es sich in Wahrheit mit dem verhält, was ich bislang als Krankheit angesehen habe. Ich darf mich vor dieser Berufung nicht verstecken. Mutter wird mir sagen, wo ich die Kristallenen Teiche von Shalamandar finde, und von dort aus werde ich den mir bestimmten Pfad einschlagen.
    Sie legte die Fingerspitzen auf Sebastianus’ Oberarm. Ein wohliges Gefühl überkam sie, als sie die Wärme seines Körpers unter der Tunika spürte. Sie schloss die Augen.
    Stimmen schreckten sie auf, Sonnenstrahlen fielen in die Höhle. Sie war allein, das Lagerfeuer erloschen.
    Sie stand auf, strich sich über das Kleid, zupfte ihre Palla und das Haar zurecht und trat vor die Höhle, wo sie zwischen grünen Bäumen und von der Morgensonne golden beleuchtet Sebastianus im Gespräch mit Timonides, Nestor und einer Kompanie Sklaven und Soldaten stehen sah.
    Als er sich zu ihr umwandte, lächelte sie. Sie wusste jetzt, was sie tun musste. Sie würde die ihr von den Göttern verliehene Gabe nicht zurückweisen, sie würde sie auch nicht mehr als Krankheit bezeichnen. Sie war fest entschlossen, die Bedeutung ihrer Visionen und somit auch ihre eigene Bestimmung zu ergründen und letztendlich Gewissheit darüber zu erlangen, wohin sie gehörte.

Drittes Buch Italien

11
    Während er dem Mädchen mit dem hellen Haar über den geschäftigen Marktplatz folgte, stieg Nestor unter den mannigfachen Gerüchen unvermittelt der würzige Duft von Hammelbraten in die Nase.
    Schnuppernd wandte er den Kopf hierhin und dorthin, und als er das mächtige Hammelbein entdeckte, das sich, mit Pfeffer eingerieben und bereits von einer dunklen Kruste überzogen, über einem Spieß drehte, wusste er sofort, dass das Fleisch in der Mitte so rosa war, wie es sein sollte, das Fett leicht gelblich und so, dass es auf der Zunge schmolz, und die Haut knusprig und leicht abzulösen.
    Er beschloss, den Braten für seinen Vater mitzunehmen.
    Der Mann, unter dessen Aufsicht der Hammel briet, ein gedrungener Armenier mit dicker Nase und schulterlangen Locken, bedachte ihn mit einem misstrauischen Blick. »Was willst du?«, fuhr er ihn an.
    Lächelnd machte Nestor Anstalten, das Hammelbein vom Feuer zu nehmen.
    »He! Finger weg!« Der empörte Aufschrei des Armeniers weckte die Aufmerksamkeit seiner Frau und seiner Söhne, die am Holztisch des Standes Fleisch und Bier verkauften.
    Aber noch ehe er Nestor eins mit dem Stock überziehen konnte, sagte eine sanfte Stimme: »Nicht, Nestor, das darfst du nicht mitnehmen.« Und eine Hand legte sich auf den Arm des scheinbaren Spitzbuben und drängte ihn von dem Stand weg.
    Es war die junge Frau mit dem sonnenhellen Haar, die sich eingemischt hatte. Sie hieß Rika und war freundlich zu ihm. Während andere ihn mit Schimpfnamen bedachten und sagten, es wäre besser, wenn er nie geboren worden wäre, manche ihn sogar verprügelten und herumschubsten, war Rika immer lieb und gütig und hatte stets ein Lächeln für ihn.
    Ihr zuliebe ließ er von seinem Vorhaben ab.
    Ulrika entschuldigte sich kurz bei dem Armenier und schlug dann mit Nestor wieder den Weg ein, der zum Tempel der Minerva führte. Sie nahm Nestor bereitwillig unter ihre Fittiche, wenn Timonides die öffentlichen Bäder der Stadt aufsuchte, auch wenn es anstrengend war, ihn ständig im Auge zu behalten. Aber Ulrika wusste, wie dankbar der Astrologe war, wenn er hin und wieder einmal Zeit für sich selbst bekam.
    Schon weil Nestor nicht begriff, was Kaufen und Verkaufen bedeutete, musste Nestor auf dem Markt beaufsichtigt werden, stand hier doch seiner Meinung nach alles zur Mitnahme bereit. Außerdem neigte er dazu, durch sein Verhalten Leute zu verschrecken. Dabei konnte er mit seinem schlichten Gemüt keiner Fliege etwas zuleide tun. Aber sein ungeschlachtes Äußeres und sein schleppender Gang erweckten den Eindruck von Aggressivität. Obendrein und obwohl Timonides seinen Sohn immer wieder zur Reinlichkeit anhielt, bekleckerte sich Nestor ständig und pflegte sich die Hände an seiner Tunika abzuwischen, was unbeherrscht wirkte und ein weiterer Grund war, vor ihm Angst zu haben.
    Der entscheidende Grund, Nestor aus dem Weg zu gehen, war jedoch sein unentwegt grinsendes Mondgesicht mit den schräg stehenden winzigen Augen. Derartige Gesichtszüge bereiteten generell Unbehagen, wurden sie doch als widrige Laune der Natur erachtet; man konnte den Göttern nicht genug

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