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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Lüfte, wenn ein neuer Windstoß die Glut anfachte.
    »Wahrscheinlich ist niemand mehr an Bord,« antwortete Karroly auf die Bemerkung des Kawdjer.
    Es war nicht unmöglich, daß das Schiff von Passagieren und Mannschaft verlassen worden war und daß diese in Booten das Land zu erreichen hofften; oder es war ein riesiger Sarg, der Sterbende und Tote umschloß, deren Körper bald an den Felsen zerschellen würden, denn kein Laut, kein Schrei, kein Hilferuf wurde während der kurzen Intervalle der Ruhe hörbar.
    Endlich war die Wel-kiej an der Seite des Schiffes angelangt, in demselben Augenblicke hob es sich backbord hoch aus den Wellen und machte das kleine Fahrzeug fast kentern. Eine glückliche Drehung des Steuerruders rettete es und nun schoß es längs des Schiffskörpers hin, an dem das Takelwerk herabhing Rasch faßte der Indianer ein Tau und befestigte es mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit am Vorderteil der Schaluppe; dann kletterte er mit seinem Sohne die Schiffswand hinan, der Kawdjer, welcher den Hund im Arme trug, folgte und nun standen sie am Deck des Unglücksschiffes.
    Nein, das Schiff war nicht verlassen worden! Ganz im Gegenteil war es von vielen Hunderten von Männern, Frauen und Kindern belebt, einer durch die Schrecknisse der Nacht ganz stumpfsinnig gewordenen Menschenmenge. Fast alle befanden sich im höchsten Paroxismus der Todesangst und lagen steif und halb besinnungslos am Boden, unfähig, das Rollen und Stampfen des Schiffes stehend auszuhalten.
    In der herrschenden Finsternis hatte niemand das Erscheinen der beiden Männer und des Knaben bemerkt.
    Der Kawdjer stürzte dem Achterdeck zu, wo er den Steuermann an seinem Platz zu finden hoffte… Niemand! Das Steuer war verlassen! – Das Schiff war der Spielball von Wellen und Wind. Wo war der Kapitän? Die Offiziere? Waren sie von dem ihnen anvertrauten Fahrzeug feige und pflichtvergessen geflohen?
    Der Kawdjer rüttelte einen der Matrosen am Arme.
    »Der Kapitän?« fragte er in englischer Sprache.
    Der Mann schien gar nicht zu merken, daß er von einem ihm Unbekannten angesprochen wurde und zuckte schweigend die Achseln.
    »Wo ist der Kapitän? wiederholte der Kawdjer seine Frage.
    – Über Bord gegangen und viele andere mit ihm,« gab endlich der Matrose mit müder, merkwürdig gleichgültiger Stimme Bescheid.
    Das Schiff war demnach ohne Führer und eines Teiles seiner Mannschaft beraubt.
    »Wo ist der zweite Offizier?« fragte der Kawdjer weiter.
    Ein erneutes Achselzucken des augenscheinlich mit Stumpfsinn geschlagenen Matrosen war die ganze Antwort.
    »Der zweite? kam endlich mühsam von seinen Lippen, der liegt mit gebrochenen Beinen und zu Brei zermalmtem Kopfe im Zwischendeck.
    – Und der Leutnant? Der Steuermann?«
    Durch eine Handbewegung gab der Matrose zu verstehen, daß er nichts über ihren Verbleib anzugeben wisse.
    »Ja, wer soll denn das Kommando übernehmen? rief der Kawdjer aus.
    – Du! – Karroly hatte es gerufen.
    – Dann fort ans Steuer, befahl der Kawdjer, und Richtung aufs Land!«
    Er eilte mit Karroly auf das Hinterdeck und drehte das Rad, um das Schiff Kurs wechseln zu lassen. Schwerfällig gehorchte dieses schließlich dem Steuer und fiel nach Backbord ab. Jetzt schoß es in der Richtung des Sturmes pfeilschnell dahin. Vielleicht war es doch möglich, es an der Insel Hoorn vorbei nach Westen zu bringen.
    Welches Ziel hatte das Schiff? Sein Name und gewöhnlicher Ankerplatz war bei der schwankenden Beleuchtung einer Laterne auf dem Steuerrade zu lesen: »Jonathan«, San Francisco.
    Der heftige Wogenprall arbeitete der Kraft des Steuers entgegen, so daß dieses sich kaum Geltung verschaffen konnte. Trotzdem trachtete der Kawdjer und Karroly, es in der Richtung des Einganges der schmalen Meeresstraße zu erhalten; das letzte Aufflackern des am Gipfel des Kap Hoorn entzündeten Feuers ermöglichte ihnen noch die Orientierung für wenige Minuten.
     

    Der Indianer faßte ein Tau und befestigte es am Vorderteil der Schaluppe. (S. 45.)
     
    Und nur weniger Minuten hätte es bedurft, um die Einfahrt des Kanales zu erreichen, welche die beiden Inseln Hermite und Hoorn trennt Wenn es dem Schiffe gelang, die in seinem mittleren Teile über die Oberfläche hervorragenden Klippen zu vermeiden, konnte es möglicherweise einen vor Wind und Wogen geschützten Ankerplatz finden. Dort konnte man dann in aller Ruhe den Tagesanbruch erwarten.
    Vor allen Dingen kappte Karroly mit Hilfe einiger Matrosen jene Taue, welche die

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