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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schwarzen Flocken nach Norden abzog. In das Heulen des Orkans mischte sich das Prasseln des Holzes, dessen knotige Stücke mit bombenähnlichem Knall zerbarsten.
    Das Kap Hoorn hat schon von Natur aus die Bestimmung bekommen, einen Leuchtturm zu tragen, der als Wahrzeichen die Grenze zweier Ozeane zu bewachen hat. Die Sicherheit der Navigation erforderte es und gewiß würde die Zahl der in diesen Breiten so häufigen Schiffskatastrophen dadurch um ein Bedeutendes verringert werden.
    Ohne Zweifel vertrat das von der Hand des Kawdjer entzündete Feuer im Notfalle den fehlenden Leuchtturm. Der Kapitän des Schiffes mußte wissen, daß er sich in nächster Nähe des Kaps befand. Das Feuerzeichen zeigte ihm dessen genaue Lage an, jetzt war es ihm möglich, sich zu orientieren, und vielleicht gelang es ihm, den durch die Insel Hoorn vom Sturm etwas geschützten Meeresteil zu erreichen.
    Aber welch unberechenbaren Gefahren setzte man sich durch ein derartiges Manöver in dieser undurchdringlichen Finsternis aus! Die Möglichkeit einer Rettung zwischen den Klippen war sehr klein!
    Das Feuer brannte weiter und warf seinen hellen Schein in die dunkle Nacht hinaus. Halg und Karroly brachten ihm immer neue Nahrung; an Brennstoff war kein Mangel, die Flamme konnte, wenn nötig, bis zum Morgen lebenskräftig erhalten werden.
    Der Kawdjer stand vor dem glühenden Scheiterhaufen und wollte versuchen, die Stellung des Schiffes zu bestimmen. Während des Bruchteiles einer Sekunde war der Mond aus den Wolkenschatten getreten und erhellte die dunkle Wasserfläche. Ein großer Viermaster wurde sichtbar, dessen schwarzer Körper sich scharf aus dem weißen Wellenschaum abhob. Das Schiff steuerte nach Osten und kämpfte schwer gegen Wind und Wogen an.
    Da wurde inmitten jener kurzen Ruhepausen, die zwischen dem jedesmaligen Losbrechen des Sturmes liegen, ein unheilverkündendes Krachen hörbar: die beiden Hintermasten waren niedergebrochen.
    »Jetzt ist es verloren! schrie Karroly.
    – An Bord,« lautete das ruhige Kommando des Kawdjer.
    In wenigen Minuten hatten die drei den halsbrecherischen Weg von der Höhe zum Ufer hinab zurückgelegt; der Hund folgte ihnen auf dem Fuße. In der Bucht angelangt, sprangen sie in die Schaluppe, die Taue wurden gelöst, Halg besorgte das Steuer und der Kawdjer und Karroly griffen zu den Rudern, denn es war unmöglich, ein Segel zu hissen.
    Obwohl die Ruder von kräftigen Armen geführt wurden, lief die Wel-kiej große Gefahr, gegen die Klippen geschleudert zu werden, an denen sich die Wogen unter Donnergetöse brachen.
    Das Meer war in seinen tiefsten Tiefen erschüttert und aufgewühlt. Die Schaluppe wurde wie eine Nußschale hin-und hergeworfen; bald tanzte sie auf der Höhe des Wellenkammes, bald wurde sie von einer Seite auf die andere geworfen, bald bäumte sie, sich auf, daß ihr Vorderteil hoch aus dem Wasser ragte, um dann schwerfällig, mit dumpfem Aufklatschen, niederzufallen. Unzählige Sturzwellen ergossen sich über ihr Deck, so daß sie, über ihre Tragfähigkeit hinaus beschwert, dem Sinken nahe war und Halg das Steuer verlassen mußte, um das Wasser auszuschöpfen.
    Trotzdem kam die Wel-kiej dem gefährdeten Schiffe, dessen Umrisse jetzt deutlich zu erkennen waren, immer näher. Als riesenhafte, formlose Masse erschien es, finsterer als die dunklen Wasser, der pechschwarze Himmel Die zwei über Bord gegangenen Masten schleppte es an den Tauen hinter sich her und der Haupt-wie der Fockmast schwankte in Halbkreisen auf und nieder und zerteilte dabei die dem Meere entsteigenden Nebelschwaden.
    »Was treibt denn der Kapitän? schrie der Kawdjer, warum läßt er die Taue nicht kappen? Mit den nachschleppenden Masten kann er unmöglich die schmalen Wasserstraßen passieren!«
    In der Tat wäre es höchst notwendig gewesen, das Tauwerk zu kappen und samt den Masten preiszugeben; aber wahrscheinlich hatte man auf dem Schiffe alle Besinnung verloren: vielleicht war es ohne Kommandanten; man konnte leicht versucht sein, das letztere anzunehmen, denn trotz der höchst kritischen Lage des Fahrzeuges hörte man weder Befehle noch sah man irgendein Manöver, das von ruhiger Überlegung, Kenntnis der Sachlage und tatkräftigem Eingreifen Zeugnis abgelegt hätte. –
    Aber die Mannschaft mußte sich doch klar darüber sein, daß das Schiff stetig dem Lande zutrieb und jeden Augenblick an den Klippen scheitern konnte. Der am Kap Hoorn entzündete Scheiterhaufen warf noch immer hohe Flammengarben in die

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