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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wenigen Sekunden waren alle Emigranten an der Ostspitze der Insel versammelt, von wo aus man ein weites Stück offenes Meer überblicken konnte.
    Harry Rhodes und Hartlepool hatten sich der allgemeinen Bewegung angeschlossen und blickten nicht ohne Erregung neugierig nach Süden; in der Tat zeichnete sich dort eine Rauchsäule vom Himmel ab und zeigte das Nahen eines Dampfers an. Der Körper des Schiffes war noch nicht zu erkennen, aber er mußte von Minute zu Minute mehr aus der Horizontlinie heraustreten. Nun war es schon möglich, seine ungefähre Größe auf vierhundert Tonnen abzuschätzen; die Farben der Flagge an der Mastspitze waren der großen Entfernung halber noch nicht zu erkennen.
    Die Emigranten wechselten enttäuschte Blicke. Niemals konnte ein Fahrzeug mit so geringem Tonnengehalte alle auf einmal fortschaffen. Vielleicht war es nur ein gewöhnliches Frachtschiff und nicht das vom Gouverneur von Punta-Arenas versprochene Rettungsschiff.
    Die Zweifel sollten bald aufgeklärt werden. Das Fahrzeug näherte sich zusehends. Bei Einbruch der Dunkelheit hatte es sich bis auf drei Meilen dem Lande genähert.
    »Die chilenische Flagge, sagte der Kawdjer, als der Luftzug einen Augenblick lang das Fahnentuch ausbreitete, so daß sich die Farben erkennen ließen.
    Und dreiviertel Stunden später hörte man in der Finsternis der inzwischen hereingebrochenen Nacht das Kreischen der Ketten in den Klüsen, das anzeigte, daß das Schiff Anker geworfen habe. Nun zerstreute sich die Menge, jeder kehrte in seine Behausung zurück, um das Ereignis zu besprechen.
    Die Nacht verlief ohne Zwischenfall. In der Morgendämmerung erblickte man das Schiff in einer Entfernung von drei Kabellängen verankert. Der um seine Meinung befragte Hartlepool erklärte es für einen Avisodampfer der chilenischen Kriegsmarine.
    Hartlepool irrte sich nicht. Es war ein Avisoschiff aus Chile, dessen Kommandant sich um acht Uhr morgens ans Land rudern ließ.
    Angsterfüllte Gesichter umringten und eine Flut von Fragen überschüttete ihn. Warum hatte man ein so kleines Schiff geschickt? Wann würde man sie endlich erlösen kommen? Oder hatte man vielleicht die Absicht, sie auf dieser Insel sterben zu lassen. Der Kommandant kam gar nicht zum Sprechen.
    Zunächst ließ er den Fragenansturm ruhig über sich ergehen, bis ein momentaner Stillstand eintrat, und als endlich die Menge mit großer Mühe zum Schweigen gebracht war, nahm er das Wort mit lauter, überall vernehmbarer Stimme.
    Zunächst sprach er beruhigend auf seine Zuhörer ein. Sie könnten der Fürsorge Chiles ruhig vertrauen. Die Gegenwart des Avisodampfers war doch der Beweis, daß man nicht daran dachte, sie zu vergessen.
    Er erklärte darauf, daß die Regierung ihre besonderen Gründe gehabt habe, anstatt des versprochenen großen Transportschiffes einen kleinen Kriegsdampfer zu senden; sie wolle den Emigranten zunächst einen Vorschlag unterbreiten, der gewiß ihren Beifall finden werde, einen eigentümlichen, unerwarteten Vorschlag, den er ihnen ohne weitere Umschweife vorlegen wolle.
    Für den Leser aber dürfte eine kleine Abschweifung nicht ganz überflüssig sein, damit er den Ideengang des Gouverneurs von Chile richtig beurteilen könne. Bei der Verwaltung des westlichen und südlichen Teiles des Magalhães-Archipels, den ihm der Vertrag vom 17. Januar 1881 zugesprochen hatte, wollte Chile ein Meisterstück liefern, indem es aus dem Schiffbruch des »Jonathan« und der Anwesenheit einiger hundert Menschen auf der Insel Hoste Nutzen zog.
    Dieser Vertrag hatte ja nur theoretische Rechtsansprüche geteilt. Argentina hatte gewiß nichts mehr zu fordern außer der Staateninsel, dem Abschnitt Patagoniens und den ihm zugesprochenen Teilen des Feuerlandes. Auf seinem Gebiete konnte sich Chile in voller Freiheit bewegen und über seine Interessen nach Gutdünken wachen. Aber es genügt nicht, von einem Lande Besitz zu ergreifen und andere mächtige Nationen abzuhalten, sich darauf festzusetzen.
    Notwendig ist vielmehr, aus dem Lande Nutzen zu ziehen durch Ausbeutung der verborgenen mineralischen und vegetabilischen Schätze. Notwendig ist, das Land durch Handel und Industrie zu bereichern, Ansiedler herbeizuziehen, falls es unbevölkert ist. Mit einem Worte – es muß kolonisiert werden. Das Beispiel, das das stetig anwachsende, aufblühende Punta-Arenas an der Küste der Magalhães-Straße bot, ermutigte die Republik Chile zu einem ähnlichen Versuche. Es galt, die Aufmerksamkeit der

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