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Die Schiffe der Kleopatra

Die Schiffe der Kleopatra

Titel: Die Schiffe der Kleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Perfektion der echten Hellenen geprägt. Ihre Haut war fast weiß mit dem Hauch einer olivfarbenen Tönung, ihre Augen von reinstem Blau. Ich konnte all das erkennen, weil sie in dem Lichtstrahl stand, der durch die Tür hereinfiel. Ihre Robe war schneeweiß, so dass das Licht hindurchleuchtete und einen Körper erkennen ließ, an dem die Jahre keine Spuren hinter lassen zu haben schienen.
    »Man hat mir schon manches vorgeworfen, aber noch nie übermäßige Aufmerksamkeit«, sagte ich. »Spreche ich mit der hohen Priesterin dieses Tempels?«
    »Ich bin lone«, erwiderte sie nur.
    Ich nahm das als Bestätigung und verbeugte mich. »Ich entbiete den Respekt und die Ehrerbietung des Senates und Volkes von Rom, verehrte Dame.«
    Sie nahm den Gruß pflichtgemäß huldvoll entgegen. »Und ich heiße dich an diesem heiligen Ort willkommen. Ich wollte dich in keiner Weise verächtlich machen. Es ist nur so, dass die Griechen diesen Aspekt der Göttin instinktiv begreifen, während die Römer für gewöhnlich nur einen primitiven Steinblock erkennen. Du bist kein gewöhnlicher Römer.«
    »Das sagen mir meine Landsleute auch immer«, sagte ich, »aber es ist fast nie als Kompliment gemeint.«
    »Meiner Meinung nach werden in deinem Land die falschen Männer wertgeschätzt«, erwiderte sie. »Bitte, komm mit.« Verwirrt folgte ich ihr nach draußen. Bei ihrem Erscheinen bildeten die Besucher sofort eine Gasse, einige verbeugten sich so tief wie Orientalen. Flavia und Alpheus gingen hinter uns, und eine ganze Schar junger Priesterinnen, einige von ihnen offensichtlich schwanger, reihte sich hinter uns ein. lone führte uns zu einem kleinen knorrigen Bäumchen von einer Gattung, die ich nie zuvor gesehen hatte.
    »Dies ist der älteste Baum in dem Garten«, sagte lone. »Er war schon uralt, als die Könige die Terrassen angelegt und die anderen Bäume gepflanzt haben. Man sagt, er sei aus dem Stein gesprossen, als Aphrodite hierher kam, um ihren Tempel zu gründen. Es ist ein Myrrhe-Baum, und es gibt weder hier auf Zypern noch auf den umliegenden Inseln oder dem nahe gelegenen Festland einen weiteren Baum dieser Art. Köre, komm her.« Ein wunderschönes, vielleicht siebzehnjähriges Mädchen blickte auf und zückte unter ihrem Gürtel ein kleines sichelförmiges Gartenmesser. lone nahm es, schnitt damit einen Zweig von einem der niedrigeren Äste ab und überreichte ihn mir feierlich. Mir schwante vage, dass dies ein Akt von tiefer Bedeutung war.
    »Bitte, nimm dies und damit die Gunst und den Schutz der Göttin.«
    Sie gab mir den Zweig, und ich sagte: »Ich nehme die Ehre an, verehrte Dame, doch ich verstehe nicht, warum du das tust.« »Ein Mann wie du braucht den Schutz der Götter dringender als die meisten anderen«, erklärte sie mir. Und mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging, gefolgt von ihren schönen, fruchtbaren Priesterinnen, davon. Die Besucher, die diese eigenartige Zeremonie verfolgt hatten, betrachteten mich mit Ehrfurcht und Neid. Flavias Miene hingegen schien eher Angst widerzuspiegeln.
    Noch als Alpheus und ich schon wieder auf dem Rückweg zum Hafen waren, plapperte er ununterbrochen darüber, was für eine außerordentliche Ehre mir zuteil geworden wäre. Ich habe den Zweig immer noch. Er liegt in meinem Familienschrein mit den Hausgöttern, und in den vielen Jahren, die vergangen sind, seit ich ihn aus lones Hand entgegen genommen habe, sind seine Blätter zwar getrocknet und geschrumpft, doch kein einziges ist abgefallen. Hat dieser Zweig mich beschützt? Keiner, den ich in jenen Tagen kannte, lebt heute noch, vielleicht hat die Aphrodite von Paphos also ein wachsames Auge auf mich gehabt. Doch wenn dem so ist, war das ebenso sehr ein Fluch wie ein Segen. Als wir zum Hafen kamen, war gerade die Nachricht eingegangen, dass die Piraten eine Stadt auf der Rückseite der Insel überfallen hatten, also verabschiedete ich mich von dem Dichter und stach mit meiner kleinen Flotte in See. Piraten fanden wir natürlich wieder nicht, nur eine Stadt, die sie kürzlich heimgesucht hatten. Diesmal war die Plünderung konventioneller von statten gegangen, geraubt worden waren lediglich verkäufliche Waren und Personen.
    Als wir nach Paphos zurückkehrten, erfuhr ich, dass der Statthalter Silvanus ermordet worden war.

VII
    Sobald meine Füße trockenen Boden berührten, drückte mir der Bote den Bronzebehälter in die Hand. »Extrem dringende Angelegenheiten im Hause des Statthalters«, keuchte er, bevor ich

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