Die Schiffe der Kleopatra
ermüdend«, sagte ich mit einem Blick in den wunderschönen Garten. »Aber es gibt ja auch Entschädigungen.« »Unser Gastgeber hat es sich ganz nett gemacht, nehme ich an«, erwiderte Photinus und schnaubte verächtlich, was mich daran erinnerte, dass er und Kleopatra in einem Luxus lebten, der die Villa des Silvanus wie eine armselige Hütte erscheinen ließ. Am nächsten Morgen begleitete Alpheus mich zum Hafen, wo ich erfuhr, dass es keine Nachricht über neue Plünderungen gab. Ich befahl meinen Skippern, die Männer in der Nähe der Baracken zu halten. Im Arsenal unterrichtete ich mich über den Fortschritt beim Bau der Bailiste, die hervorragend voran kamen. Dann machte ich mich mit Alpheus auf den Weg zum Tempel der Aphrodite.
»Der Tempel ist einer der ältesten in der griechischsprachigen Welt«, erklärte Alpheus mir, als wir uns dem Komplex heiliger Gebäude näherten. »Selbst wenn die Legende, dass die Göttin hier geboren wurde und den Tempel selbst gegründet hat, unwahr ist, so ist er doch weit älter als jeder Aphrodite-Tempel auf dem Festland. Er wurde von Menschen erbaut, die das menschliche Maß noch zu achten wussten.«
Menschliches Maß war meines Erachtens leicht übertrieben. Das Gebäude sah eher aus wie ein Tempel für Pygmäen. Es war kaum größer als ein Bauernhaus und aus großen, verwitterten Quadern einheimischen Felsgesteins errichtet, darüber das obligate rote Ziegeldach. Die steinernen Säulen des Portikus waren offensichtlich nachträglich als Ersatz für hölzerne eingebaut worden, die aus einzelnen Stämmen gehauen gewesen waren.
Seltsamerweise erfreute dieser Anblick mein Herz. Ich habe immer die uralten kleinen italischen Tempel den grandiosen Gebäuden jüngerer Generationen vorgezogen. Die Proportionen stimmten perfekt, und die Lage bot alle Reize, die man verlangen konnte: einen Garten mit uralten und liebevoll gepflegten Bäumen, in denen Bienen summten und Vögel zwitscherten, wie sie es schon seit wer weiß wie vielen Jahrhunderten getan hatten. Vom Altar stieg Rauch vom Morgenopfer auf, und die Luft war vom wohlriechenden Duft reinen Weihrauchs erfüllt.
»Die Ptolemäer und andere Nachfolger Alexanders hatten die Angewohnheit, gigantische Tempel zu errichten und die bereits in ihrem Besitz befindlichen noch zu vergrößern«, bemerkte ich. »Bist du je auf Sizilien gewesen?«
»Ich muss gestehen, dass ich noch nie so weit nach Westen vorgedrungen bin«, gestand er verlegen, »aber ich habe natürlich schon von den Tempeln gehört.«
»Dort haben sie Tempel für Riesen gebaut«, sagte ich. »Es gibt sogar einen, der Karyatiden in Gestalt atlasartiger Titanen hat. Der Tempel der Diana von Ephesus ist monumental, und das Serapeum in Alexandria ist gewaltig. Nun waren die Könige von Zypern auch nicht direkt arm. Warum ist der berühmteste aller Aphrodite-Tempel so bescheiden?« wollte ich wissen. »Die Priesterinnen haben eine Erweiterung des Tempels nie erlaubt«, erklärte Alpheus. »Sie sagen, die Göttin hätte ihn so gegründet, weil sie ihn so haben wollte. Die Könige haben natürlich andere Möglichkeiten gefunden, ihn zu verschönern. Dieser Garten zum Beispiel ist komplett künstlich angelegt. Frühe Könige erbauten die großen Stützmauern und karrten Pflanzerde an. Aber der Tempel selbst und das Bild der Göttin sind seit den Tagen der Legende unverändert erhalten.« Das konnte ich nur begrüßen, hatte ich doch so viele aufgeblähte Tempel gesehen, die eher zum Ruhm der Reichen und Mächtigen denn zu Ehren eines Gottes errichtet worden waren.
Als wir das Gelände betraten, sah ich überall weißgewandete Priesterinnen, die mit den zahlreichen Besuchern sprachen. Die meisten von ihnen waren zur Teilnahme an den Aphrodisia gekommen. Die prominenteren Gäste hatten wie üblich Geschenke mitgebracht. Zu meiner Überraschung entdeckte ich unter den Priesterinnen ein bekanntes Gesicht.
»Flavia!«
»Senator, du hast also neben deinen Pflichten noch die Zeit gefunden, der Göttin deine Reverenz zu erweisen«, sagte die so Angesprochene, und ich war mir nicht ganz sicher, ob das ein Lob oder ein Tadel war.
»So ist es«, bestätigte ich unnötigerweise. »Aber ich hatte nicht erwartet, dich hier anzutreffen, noch dazu im Gewand einer Betschwester.«
»Zu Hause bin ich eine Priesterin der Venus der Seefahrer«, belehrte sie mich. »Wir sind so etwas wie die Partnergemeinde der Schwesternschaft hier. Aphrodite von Paphos ist in erster Linie eine
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