Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
durch, daß es noch eine andere Art von Wissen gab. Es betraf gewisse Regeln, die man beachten mußte, wenn man mit vielen anderen Nomen zusammenlebte. Zum Beispiel: Sei sehr vorsichtig, wenn du Leuten etwas erzählst, das sie nicht hören wollen.
Und: Die Vorstellung, sich zu irren, kann gewisse Personen sehr verärgern.
Einige Gehilfen des Abts führten sie durch die Tür und vermieden dabei, Masklin und seine Gefährten zu berühren oder sie auch nur anzusehen. Mehrere von ihnen wichen rasch beiseite, als Torrit das Ding nahm und schützend die Arme darum schlang.
Oma Morkies Vorrat an Geduld war nie besonders groß gewesen, und jetzt ging er zur Neige. Sie packte den nächsten Priester an seiner schwarzen Kutte und hielt ihn sich dicht vor die Nase. Er verdrehte die Augen, als er versuchte, Oma nicht zu sehen. Sie rammte ihm den Zeigefinger an die Brust.
»Na, spürst du meinen Finger?« fragte sie scharf.
»Fühlst du ihn? Glaubst du noch immer, daß ich gar nicht hier bin?«
»Einheimische!« höhnte Torrit.
Der Mönch löste sein unmittelbares Problem, indem er leise ächzte und in Ohnmacht fiel.
»Verschwinden wir von hier«, drängte Dorcas. »Bisher begnügt man sich damit, euch nicht zu sehen. Aber vielleicht kommt gleich jemand auf die Idee, dafür zu
sorgen,
daß ihr nicht existiert.«
»Ich verstehe das nicht«, klagte Grimma. »Wieso sieht uns hier niemand?«
»Weil die Leute wissen, daß wir aus dem Draußen stammen«, erwiderte Masklin.
»Andere Nomen sehen uns!« stieß Grimma fast schrill hervor. Masklin konnte es ihr nicht verdenken. Auch er fühlte sich immer unsicherer.
»Weil sie uns nicht kennen«, sagte er. »Oder weil sie nicht
glauben,
daß wir Draußenler sind.«
»Ich bin kein Draußenler!« protestierte Torrit. »Dies sind alles Drinnenler!«
»Aber dann
weiß
der Abt, daß wir von draußen kommen!«
entfuhr es Grimma. »Er
glaubt
an unsere Existenz, und deshalb sieht er uns nicht. Ergibt das einen Sinn?«
»Nein.« Dorcas schüttelte den Kopf. »So sind Nomen eben.«
»Es spielt doch gar keine Rolle«, warf Oma Morkie ein. »In drei Wochen werden alle Drinnenler zu Draußenlern. Geschieht ihnen ganz recht. Dann müssen sie herumlaufen, ohne sich zu sehen. Etwa so.« Sie neigte den Kopf weit in den Nacken, bis ihre Nase zur Decke zeigte. »Oh,
entschuldigen
Sie, Herr Abt, bin Ihnen auf den Fuß getreten, weil ich Sie gar nicht
gesehen
habe …«
»Wenn die hiesigen Wichte bereit wären, uns zuzuhören«, sagte Masklin, »dann verstünden sie bestimmt alles.«
»Ich bezweifle es.« Dorcas trat nach dem Staub. »Eigentlich dumm, daß ich mir etwas anderes erhofft hatte. Die Büromaterialer lehnen neue Ideen immer ab.«
»Bitte um Verzeihung«, ertönte es hinter ihnen. Sie drehten sich um und sahen einen dicklichen jungen Büromaterialer mit krausem Haar und besorgtem Gesichtsausdruck. Nervös zupfte er am Saum seines Umhangs.
»Ja?« fragte Dorcas.
»Äh. Ich möchte, ah, mit den, äh. Draußenlern sprechen.«
Der kleine Mann verbeugte sich vor Torrit und Oma Morkie.
»Offenbar hast du bessere Augen als die meisten anderen«, sagte Masklin.
»Äh, ja«, bestätigte der Büromaterialer. Er sah durch den Korridor. »Äh, ich würde gern mit euch reden. Allein.«
Sie traten hinter einen Balken.
»Nun?« fragte Masklin.
»Der, äh, sprechende Kasten … Glaubst du ihm?«
»Ich vermute, daß er gar nicht lügen kann.«
»Worum handelt es sich? Um eine Art Radio?«
Masklin wandte sich mit einem hoffnungsvollen Blick an Dorcas.
»Er meint einen Apparat, der Geräusche verursacht«, erklärte der Erfinder stolz.
»Ach?« Masklin hob die Schultern. »Nun, wie dem auch sei… Wir haben das
Ding
schon seit langer Zeit. Angeblich kam es in Begleitung von Nomen aus weiter Ferne, vor fünfzehntausend Jahren.« Er genoß den Klang der letzten Worte.
»Seit Generationen bewahren wir es auf, nicht wahr, Torrit?«
Der alte Mann nickte nachdrücklich. »Mein Vater hatte es vor mir, und sein Vater vor ihm, und sein Vater vor ihm und gleichzeitig sein Bruder, und ihr Onkel vor ihnen …«
Der Büromaterialer kratzte sich am Kopf.
»Ich mache mir große Sorgen. Die Menschen verhalten sich seltsam. Es treffen keine neuen Waren im Kaufhaus ein, und man stellt Schilder auf, die wir noch nie zuvor gesehen haben.
Selbst der Abt ist beunruhigt und fragt sich immer wieder, was Arnold Bros (gegr. 1905) jetzt von uns verlangt. Deshalb, äh…« Erneut zupfte er am Saum des Umhangs.
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