Die Schlacht der Trolle
sarkastisch. »Es ist schön zu wissen, dass Ihr mir diese Aufgabe zutraut, weil mein Bruder lange Zeit in Erdlöchern gehaust hat!«
Diesmal verfinsterte sich Neagas’ Miene. Der Veteran begann, im Zelt auf und ab zu laufen. Unvermittelt blieb er stehen und zeigte mit dem Finger auf Flores. »Ihr sträubt Euch aus Angst!«
»Niemals!«, fauchte die Wlachakin erbost. Eine seltsame Wärme lief durch ihren Körper, und sie konnte spüren, wie ihre Finger zitterten.
»Warum sonst?«
»Weil ich keine Anführerin bin. Ich bin eine einfache Kämpferin, mehr nicht. Ich bin durch Zufall in die ganze Sache hineingeraten!«
Die Hitze im Zelt war nun unerträglich. Lange Zeit war nur das Rauschen des Regens und das Knistern des Feuers zu hören. Immer noch fixierte Neagas Flores, die dem Blick jedoch standhielt. Erst als der Veteran wieder sprach, senkte er die Augen. »Denkt Ihr, dass Sten sich nach der Macht gesehnt hat? Oder glaubt Ihr mir, dass er nur viel zu pflichtbewusst war, um diese Verantwortung abzulehnen? Er hat sich nie gescheut, zu tun, was er tun musste. Aber vielleicht habt Ihr recht. Ich werde an Istran herantreten. Mit meiner Unterstützung wird er sich mächtig genug fühlen, einen Anspruch auf die Führung geltend zu machen.«
Die Kälte in der Stimme des alten Kriegers ließ Flores erschauern. Da er sich abwenden wollte, sagte die Wlachakin rasch: »Wartet. Bitte.«
Mit fragender Miene blickte Neagas sie an. Nervös spielten Flores’ Finger mit ihrem Becher. Der lauwarme Inhalt kreiste, während sie ihre Worte wählte.
»Istran ist nicht der richtige Mann dafür«, erklärte Flores langsam. »Ich glaube zwar nicht, dass Ihr mit Euren Vermutungen in allem recht habt, aber zumindest in einer Sache stimme ich mit Euch überein: Wir brauchen dringend einen Anführer, damit die Moral nicht vollends zerfällt. Ich habe mir niemals vorgestellt, dass es so kommen könnte, aber wenn es denn sein muss, werde ich die Soldaten führen. Zumindest, bis wir all dies überstanden haben und ich meinen Platz einem würdigeren Nachfolger räumen kann.«
Bevor Neagas etwas sagen konnte, fuhr Flores hastig fort: »Mein Wort gilt nur, bis dieser Feldzug vorüber ist. Auf keinen Fall strebe ich die Vorherrschaft in Wlachkis an. Dieser Gedanke wäre … lächerlich.«
»Natürlich«, erwiderte Neagas mit einer Verbeugung. »Unser vordringlichstes Ziel ist es, Wlachkis zu schützen. Das steht außer Frage. Und dafür müssen wir vereint sein. Alles andere würde wohl unseren Untergang bedeuten.«
»Wir werden das später genauer besprechen. Aber ich will Euch an meiner Seite wissen, Neagas.«
»Ihr habt meine Treue und Unterstützung. Ich fürchte nur jene, die die Macht ersehnen, nicht jene, die sie ablehnen. Und ich glaube, dass Ihr die Nachfolgerin seid, die sich Ionna gewünscht hätte, Bojarin.«
»Genug der Komplimente. Ich bitte Marczeg Tamár, sich zu uns zu gesellen, damit wir über unser weiteres Vorgehen reden können.«
Obwohl ihre Gedanken noch in völliger Unordnung waren und voller widersprüchlicher Gefühle, sandte Flores einen Boten zu den Masriden. Sie fühlte sich noch nicht bereit, über die Konsequenzen ihrer Unterredung mit Neagas nachzusinnen. Der Gedanke an den Oberbefehl über die Soldaten erschien ihr wie ein gewaltiger Berg, den es erst zu erklimmen galt. Natürlich habe ich die Krieger aus der Schlacht geführt. Weil ich es musste; weil ich zufällig genau dort war. Wäre ich nicht in den Sturmangriff hineingeraten, sondern gleich zu Tamár zurückgekehrt, hätte ein anderer es getan. Neagaş hat durchaus recht, wenn er sagt, dass Stens Name allein meinen Worten Gewicht verleiht. Sie musste an ihren Bruder und seine wahnwitzige Reise mit den Trollen denken. Irgendwo war Sten nun mit den gewaltigen Kreaturen auf der Suche. Womöglich wusste er nicht einmal, welches Schicksal sein Volk befallen hatte. Er würde umkehren, wenn er es wüsste. Was hat der Alte gesagt? Şten hat sich nie gescheut, zu tun, was getan werden musste. Ich bin seine Schwester, und ich will ihn nicht enttäuschen.
Diese düsteren Gedanken beschäftigten die Wlachakin, bis Tamár mit einigen Kriegern als Gefolge eintrat. Zwar bewegte er sich gelassen und vornehm, doch Flores sah die Schlammspritzer auf seinen Beinkleidern, die bis hinauf zu den Hüften reichten. Sieht so aus, als wäre er gerannt. Wollte er nicht nass werden, oder wollte er mich sehen?, dachte sie müßig und verbarg ein Lächeln, als sie Tamárs
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