Die Schlacht der Trolle
Flores, in deren Geist langsam ein Plan Form annahm, den sie selbst noch nicht greifen konnte, wie Nebel, der nicht zu fassen, aber dennoch vorhanden war. »Wo finden wir genug Vorräte für unsere vereinte Armee? Hier im Südosten nur in Bracaz. Teremi und Turduj, beide groß genug, sind außerhalb unserer Reichweite. Ansonsten gibt es Festungen und befestigte Städte, aber wenn wir in einer eingeschlossen würden, bestünde die Gefahr, dass uns die Vorräte mitten im Winter ausgehen. Letztes Jahr hat der Krieg eine große Ernte verhindert, dieses Jahr der heiße Sommer.«
»Aber in Désa sind die Keller noch wohlgefüllt«, erkannte Neagas und sah Flores mit einem bewundernden Funkeln in den Augen an.
»Désa ist uneinnehmbar. Das weiß jeder. Allein dieser Gedanke wird Szilas und vor allem seine Soldaten abschrecken. Erst recht im Winter, wenn das Mardew selbst zum Feind wird. Ionna hat dort große Vorratsspeicher anlegen lassen. Szilas kann nicht erwarten, eine Armee wie die unsere dort zu besiegen.«
»Aber dann lassen wir nicht nur das Sireva, sondern auch Euer eigenes Land schutzlos zurück«, erwiderte Tamár. »Wir stünden da wie Fürstin Ionna in den letzten Jahren: sicher in ihrem Bau, aber ohne Land!«
»Nicht unbedingt. Der Herbst wird nicht ewig dauern. Das schlechte Wetter und der einbrechende Winter werden verhindern, dass Szilas das Land erobert. Die Wlachaken müssten sich in ihren Burgen und Städten einigeln und darauf hoffen, den Winter zu überstehen. Und im Frühjahr …«
»… im Frühjahr sammeln wir unsere Truppen und stellen Szilas!«, ergänzte Flores triumphierend. »Dann sind die Niederlagen lange vorbei, wir können alle wlachkischen Krieger versammeln, und Ihr ruft die euren zu den Waffen, Marczeg. Wenn Szilas seinen Anspruch auf das Land verteidigen will, dann muss er kämpfen!«
Schweigen legte sich über die kleine Gruppe. Tamár wirkte skeptisch, doch Neagas schien von der Idee überzeugt zu sein. Obwohl sie wusste, dass auch dieser Plan viele Schwierigkeiten und Risiken barg, spürte Flores doch zum ersten Mal seit Ionnas Tod wieder Hoffnung in sich aufkeimen.
»Es behagt mir nicht, zu fliehen. Und mich in Euren Landen zu verstecken. Es könnte mich das letzte bisschen Vertrauen kosten, das meine Krieger noch in mich setzen.«
»Sie werden Euch folgen, Marczeg«, beruhigte Neagas den Masriden. »Es ist eine gute Lösung; Eure Leute erwartet Sicherheit, Nahrung, ein Dach über dem Kopf für den Winter. Sie werden Euch folgen.«
Unsicher blickte Tamár den Veteranen an. Sag ja, dachte Flores beschwörend. So können wir den Sturm überstehen!
Der Marczeg holte tief Luft und ballte die Hände zu Fäusten. Seine Knöchel traten weiß hervor, als er sagte: »Gut. Über die Einzelheiten müssen wir noch reden, aber der Plan klingt vernünftig. Ich willige ein.«
Innerlich jubelte Flores, doch äußerlich ließ sie sich nichts anmerken, als sie Tamár zunickte. Neagas hingegen lachte laut auf: »Das wird Szilas zu denken geben! Und im Frühjahr kommen wir wie die Rache der Geister über ihn!«
Hoffentlich. Sonst sind wir Wlachaken wieder zu einer Existenz im kargen Mardew verdammt. Nur dass diesmal nicht nur der Sadat, sondern ganz Ardoly gegen uns stünde.
42
S eit dem kleinen, aber eindeutigen Bruch des Protokolls war Attaga weitaus einsichtiger und offener für Sargans Wünsche, selbst wenn diese vom üblichen Tagesablauf abwichen. Ohne die Unterstützung der Zeremonienmeisterin fügte sich auch Balaos eher, denn allein wollte der Sylke Sargan offensichtlich nicht widersprechen. Dieser wiederum genoss die neue Freiheit, so winzig sie auch sein mochte, in vollen Zügen. Mehrfach hatte der Dyrier schon seine Gemächer verlassen, zunächst nur für kurze Spaziergänge innerhalb der Feste Remis, später sogar für einen Ausritt außerhalb der Stadtmauern. Jetzt stand er auf der Mauer der Feste, begleitet nur von zwei Leibwachen und einem Diener, der einen kleinen Baldachin trug, um den Regen abzuhalten, der unaufhörlich auf die Stadt niederprasselte. Im Norden grummelte hin und wieder Donner; anscheinend entlud sich erneut ein Gewitter an der Flanke der Sorkaten.
Trotz des Baldachins hatte Sargan mehr als nur einige Tropfen abbekommen, welche seine weiten Ärmel durchnässten. Der schwere Damaststoff lag klamm auf seiner Haut, doch der Dyrier ignorierte dies. Momentan wurden ihm Ruhe und Zeit für seine Gedanken gewährt. Dies war selten genug und kostbar,
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