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Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bei Gyells erster Berührung verspürt hatte. Aber diesmal geschah etwas völlig anderes. Für einen Moment hatte er das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen, einen bodenlosen, finsteren Schacht, in dem er all seine Kraft verlor. Dann trafen sich ihre Blicke, und der Jared las den Schrecken in Kyles Augen, und im gleichen Sekundenbruchteil erlosch die saugende Kraft. »Tu es«, sagte Kyle leise. Gyells Blick wurde fragend. Du weißt, was es bedeutet?  Kyle antwortete auf die gleiche, lautlose Art, und Gyells Hand schloß sich fester um seine Finger. Erneut spürte er, wie ein Strom unsichtbarer, pulsierender Kraft von ihm auf den Jared überging, wie sein eigener Körper an Stärke verlor, während sich die erschlafften Züge des Jared wieder strafften. Eine Sekunde, bevor Kyle einfach zusammenbrechen konnte, hörte er auf, und plötzlich war es Gyell, der ihn stützen mußte, damit er nicht fiel. »Ich danke dir«, sagte Gyell. »Du hast diesen Körper gerettet. Er wäre gestorben.« Kyle befreite sich mühsam aus seinem Griff und mußte für eine Sekunde seine letzten Energiereserven mobilisieren, um überhaupt noch auf den eigenen Füßen stehen zu können. Gyell wäre gestorben, hätte er ihm nicht geholfen. Kyle mußte nicht einmal den Blick wenden, um zu wissen, daß keiner der anderen Jared noch am Leben war. »Jetzt geht!« sagte Gyell. Kyle deutete über die Schulter zurück auf die weiße Gestalt des Inspektors. Die Zahl der Soldaten in seiner Begleitung war auf fast zwei Dutzend angewachsen; sie bildeten eine breite, undurchdringliche Kette zwischen ihnen und dem Ausgang. Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, ihre Front zu durchbrechen - er wußte, daß draußen weitere Soldaten auf sie warteten. »Sie werden es nicht zulassen.« »Ihr steht unter unserem Schutz«, entgegnete Gyell. »Sie lassen euch gehen.« »Und ... Helen?« »Das Mädchen?« Kyle nickte. Gyell antwortete nicht darauf, aber sein Schweigen war beredt genug. »Ihr müßt gehen«, sagte Gyell noch einmal. »Sie werden euch nichts tun, solange die Königin lebt. Aber wenn sie stirbt, werden sie auch euch töten.« »Wäre einer der Herren vielleicht so freundlich, mir zu erklären, worum es überhaupt geht?« mischte sich Gurk ein. Kyle ignorierte ihn. Sein Blick wanderte zwischen Gyells ausdruckslosem Gesicht, den riesigen, allmählich verlöschenden Kristallaugen der Königin und der kalten, weißen Gestalt des Inspektors hin und her. »Aber es muß einen Weg geben, sie zu retten!« protestierte er. »Ihre Verletzungen sind zu schwer«, antwortete Gyell mit ausdrucksloser Stimme. Auch der Tod schien dem Jared keine Angst einzujagen. »Geht!« sagte er noch einmal. »Solange wir euch noch schützen können.« Verwirrt und von einem Gefühl völliger Hilflosigkeit erfüllt, wandte sich Kyle um, machte einen Schritt auf die Front der Ameisen zu und blieb wieder stehen. Wieder glitt sein Blick über den riesigen, zuckenden Leib der Königin, die furchtbaren, tödlichen Verbrennungen auf ihrem Hinterleib und die riesigen Augen, in denen das Leben nur noch als schwacher Funke glomm. Und jetzt endlich begriff er, was die Jared wirklich waren. Eine faltige Greisenhand ergriff plötzlich seine Finger. »Komm«, sagte Gurk leise. Anders als gewohnt war seine Stimme sanft, fast warm, und auch das spöttische Glitzern war aus seinen Augen verschwunden. Das Mitgefühl, mit dem er Kyle ansah, war nicht gespielt. »Wir können nichts mehr für sie tun.« »Helen wird sterben«, murmelte Kyle. Gurk schüttelte ganz sacht den Kopf. »Sie ist schon tot«, sagte er. »Ich weiß, daß es weh tun, aber die Wahrheit tut manchmal weh.« »Ich ... werde ihr helfen«, sagte Kyle. Gurk lächelte schmerzlich. »Das kannst du nicht, mein Freund«, sagte er sanft. »Ich weiß, du kannst eine Menge - aber eine  Tote wirst auch du nicht erwecken können. Und du hilfst Helen nicht, wenn du dich selbst umbringst.« Kyle rührte sich nicht. Fast eine Minute lang starrte er den Zwerg an, ohne ihn wirklich zu sehen, dann hob er noch einmal den Blick, sah den Inspektor und die Armee schwarzer, riesiger Ameisen hinter ihm an, und drehte sich dann ganz langsam zu Gyell und der Königin herum. Die Bewegungen der gigantischen Ameise waren fast nicht mehr wahrzunehmen. Eine klare, zähe Flüssigkeit sickerte aus ihrem halbgeöffneten Maul, und ihr gewaltiger Hinterleib hatte aufgehört, unentwegt Eier auszustoßen. Kyles Blick begegnete Jared. Eine

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