Die schlafende Armee
und Maschinenhaftes nach ihm griff und seine Gedanken sondierte und jeden Augenblick seiner Existenz erforschte. Und schließlich war der schwarze Abgrund der Unendlichkeit einem anderen, noch dunkleren Gefängnis gewichen. Er wußte nicht, wie lange er in jenem Gefängnis gewesen war, das seine Gedanken und Gefühle zu einer bloßen Aneinanderreihung gespeicherter Informationen reduzierte, ein Computerprogramm mit dem Namen Daniel Stone, das darauf wartete, aktiviert zu werden. Seine nächste bewußte Erinnerung war das Gefühl, wieder einen Körper zu haben. Er öffnete die Augen und sah Luzifers Gesicht über sich. Als er versuchte, sich aufzusetzen, wurde er mit einem schmerzhaften Ruck zurückgerissen. Sein Körper war mit einer Unzahl von Schläuchen, Drähten, Anschlüssen und dünnen Kabeln versehen. »Was ist passiert?« fragte er. »Wo bin ich?« Noch einmal, aber sehr viel vorsichtiger jetzt, drehte er den Kopf und sah seinen Adjutanten an. »Du hast mich belogen!« herrschte er Luzifer an. »Ich hatte keine andere Wahl, Herr«, antwortete die Ameise. »Es gab Komplikationen. Einige Ihrer wichtigsten Körperfunktionen versagten plötzlich. Sie drohten zu sterben.« »Du hättest es mir sagen müssen!« Luzifer deutete ein Nicken an. »Ich weiß. Ich bin bereit, die Strafe für mein Fehlverhalten auf mich zu nehmen. Aber der Schutz Ihres Lebens hat oberste Priorität. Es blieb keine Zeit, Sie zu informieren.« Stone starrte die Ameise mit einer Mischung aus brodelndem Zorn und einer vagen Hoffnung an. Der devote Ton, in dem Luzifer sprach, war nicht der, in dem er sich mit einem Verräter unterhielt. Möglicherweise wußte er noch nicht, was Daniel getan hatte. »Mach mich los«, verlangte er. Luzifer zögerte. »Es wäre besser, wenn...« »Mach diese verdammten Dinger ab!« unterbrach ihn Stone zornig. »Sofort!« Gehorsam trat das riesige Insektengeschöpf näher und löste die zahllosen Anschlüsse, mit denen Stones neuer Körper mit den Computeranlagen verbunden war. Was Luzifer tat, war sehr schmerzhaft, aber Stone verbiß sich jeden Laut. Sein Blick wanderte über die glitzernden Apparaturen und blieb an dem riesigen, rechteckigen Schirm haften, der wie ein starrendes blindes Auge auf den Tisch herabblickte. Er hatte eine ähnliche Anlage vor nicht einmal allzu langer Zeit in Paris gesehen. Sie hatte jede Erinnerung, jedes Bild aus dem Gedächtnis des gefangenen Megamannes gezeigt. Nachdem Luzifer die letzte Nadel aus seiner Vene gezogen hatte, befahl er ihm barsch, ihm etwas zum Anziehen zu besorgen, und setzte sich vorsichtig auf. Luzifers Warnung war nicht übertrieben gewesen, ihm wurde sofort schwindelig, und seine Glieder fühlten sich so schwach an, daß er Mühe hatte, auf der Kante des Operationstisches sitzen zu bleiben. Er wartete, bis der Raum aufgehört hatte, sich um ihn herum zu drehen, dann stand er sehr behutsam ganz auf, hielt sich mit der linken Hand an der Kante des Tisches fest und blickte forschend an seinem neuen Körper herab. Nichts schien sich verändert zu haben. Es war der gleiche Körper, mit allen Vor- und Nachteilen, all den kleinen Unzulänglichkeiten, über die er sich manchmal geärgert hatte - aber die Spuren, die das Leben an ihm hinterlassen hatte, waren verschwunden. Trotz der Schwäche, die wie ein unsichtbares Bleigewicht auf ihm lastete, spürte er eine Energie in sich, wie er sie seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Es war ein unheimliches Gefühl. Er war in diesen Leib geschlüpft wie in einen maßgeschneiderten Anzug, aber es war ein Anzug, der ihm nicht gehörte. Der, der ihn eigentlich hatte tragen sollen, war niemals zum Leben erwacht. Sie hatten eine einzelne Zelle genommen und diesen neuen Körper daraus erschaffen, aber sie hatten nicht erlaubt, daß das Leben in ihm erwachte. Wieder glitt sein Blick über die fremdartigen Gerätschaften neben dem Tisch. Die Vorstellung, daß sich eine perfekte Kopie seiner Erinnerungen nun in diesen Apparaturen befand, entsetzte ihn. Man hatte aus dem Individuum, das er gewesen war, ein reproduzierbares Wesen gemacht. Großer Gott, dachte er, wenn sie in der Lage waren, so etwas zu tun - warum produzierten sie dann ihre Krieger nicht einfach am Fließband? Aber vielleicht taten sie es ja. Luzifer kam zurück und brachte ihm die verlangten Kleider. Obwohl es gegen Stones Stolz ging, mußte er sich von seinem Adjutanten dabei helfen lassen, sich anzuziehen. »Wieviel Zeit ist vergangen?« fragte
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