Die schlafende Stadt
dir bin ich schon zurückhaltend genug. Zwangsweise sozusagen. Da gibt es noch nicht mal einen Arsch, an dem man sich ergötzen könnte.“
„Edgar! Du bist betrunken!“
„Das will ich auch hoffen.“ Er wischte sich den Rest Sauce vom Kinn. „Das muss man auch sein, wenn man mit einem derart reizlosen Besenstiel verheiratet ist. Nichts Rundes, pralles, nichts Weibliches, wohin man auch greift! Keine Brüste, in die man sein wollüstiges Gesicht stecken könnte, ein verkrampfter Strich als Mund, und der notdürftig ertragene Begattungsakt nur bei gelöschtem Licht! Ich konnte nur geschäftlich erfolgreich werden! Irgendwo musste meine Kraft hin!“
Sophia tat Madame fast leid. Außer François und Fernande befanden sich ausgerechnet jetzt noch zwei weitere Dienstboten im Raum, zusätzlich zu den drei Kindern, die die Stimmung spürten und wahllos in ihrer Crème brûlée herumstocherten. Sophia wusste, was sich gehörte. Sie stand auf und bat, auf ihr Zimmer gehen zu dürfen, da sie sich ein wenig unpässlich fühle.
„Schade, mein Kind, denn gerade du wirst zu jenen Frauen zählen, von denen ich sprach. Die Männer werden Gedichte für dich schreiben! Schlangestehen werden sie! Du bist genau die wonnevolle Leidenschaft, nach der sich alle sehnen!“
Was auch immer Onkel Edgar auf seiner Geschäftsreise noch getrieben haben mochte, dass Sophia bei dieser unverhohlenen Demütigung Madames zugegen gewesen war verhieß nichts Gutes. Madame würde sich auf ihre Weise zu revanchieren wissen. Sophia packte noch am gleichen Abend die Koffer.
Sie fand diese Nacht keinen Schlaf. Unruhig wälzte sie sich in und her, die spannungsgeladene Auseinandersetzung mit Madame ahnend, wenn sie am kommenden Morgen ihren Weggang verkündete. Die Ungewissheit, wie es bei Claudine werden würde. Doch sie musste fort, dies war sicher.
Sophia war so unruhig, dass sie sich schließlich entschloss, etwas von Rosalies Beruhigungsmittel zu nehmen. Sie hüllte sich in ihren Morgenrock und huschte durch das dunkle Treppenhaus, die Stiegen hinab zur Küche. Als sie sich der Küchentür näherte, stutzte sie.
Es brannte ein schwaches Licht. Eine Art rhythmisches Keuchen war zu hören. Vorsichtig berührte sie die Küchentür und drückte sie auf. Langsam spähte sie durch den sich verbreiternden Spalt.
Auf den Küchentisch vornüber gebeugt stand Fernande, splitternackt, die Beine weit gespreizt. Ihr Nachthemd lag zusammengeknüllt auf dem Boden. Hinter ihr stand Onkel Edgar, nur noch mit seinem Oberhemd bekleidet, die Hosen heruntergelassen, und drang in Fernande ein. Sein dicker, käsiger Bauch rieb sich dabei klatschend an Fernandes ausladendem Hinterteil, und beide stöhnten im Takt. Fernande klammerte sich an den Brettern des Küchentisches fest, auf dem tagsüber die Zwiebeln gehackt, das Fleisch geklopft und der Brotteig gewalkt wurde. Ihre aufgelösten Haare hingen ihr ins Gesicht und ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus schmerzhaftem Ausdruck und rauschhafter Verklärung. Onkel Edgar dagegen machte den Eindruck, als arbeitete er hart. Er schwitzte und schnaufte. Er sah gar nicht gut aus. Seine schlaffen, fetten, behaarten Hinterbacken zitterten vor Anstrengung. Eine seiner Hände hatte sich an Fernandes Becken festgekrallt, mit der anderen versuchte er ihre Brüste von hinten zu kneten, die groß und schwer bis auf die Tischplatte herabhingen und im Rhythmus der Stöße träge auf- und niederschaukelten. Zwischendurch feuerte sie ihren Herrn bemerkenswert despektierlich an: „Fester! Schneller! Ist das alles, was du heute kannst?“ stieß sie hervor. „Na warte! Ich werd’s dir zeigen!“ keuchte Onkel Edgar.
Mit dem Laudanum würde es also nichts werden. Sophia sah auch nicht mehr, wie ihr Onkel es Fernande „zeigte“. Sie trat zurück und schloss die Tür leise. „Na, was sagst du jetzt?“ hörte sie ihn noch japsen. „Jaaaah... nicht schlecht! Aaah... so kann das noch was werden!“ stöhnte Fernande. Sie ächzte noch ein paar andere Sachen, die er auch schwer atmend beantwortete, aber diese Einzelheiten blieben Sophia verborgen, je mehr sie sich zügig entfernte. Vorsichtig stahl sie sich die Treppenstufen hinauf und schlüpfte wieder in ihre Kammer. Sie stöhnte innerlich.
Am nächsten Tag gaben sich alle Beteiligten betont unauffällig. Fernande tat wie gewohnt ernst und zurückhaltend ihren Dienst. Onkel Edgar las nach dem Frühstück konzentriert seine Zeitung und ließ sich von Fernande bedienen, ohne ein
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