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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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hastig hinzu und verabschiedete sich alsdann von Agius und auch von Melchior, welcher jedoch kaum eine Reaktion zeigte, weil er sich mit strahlenden Augen seinen getrockneten Krabbeltieren widmete. Als Inga hinausging, folgte ihr Gunda.
    »Du weißt also, wer der Weiße war«, flüsterte Inga ihr vor der Türe zu.
    »Sofort habe ich ihn an den Händen erkannt. Dazu brauchte er keinen Kopf. Sie hat ihn ihm abgeschnitten, nicht wahr? Seine eigene Tochter.«
    »Gunda, du überraschst mich immer wieder.«
    »Inga, ich habe so viel gehört und erfahren in meinem langen Leben, dass ich eines mit Gewissheit sagen kann: Der Mensch allein ist die ungewöhnlichste Gestalt auf Erden und zu allen Taten, ob gut oder böse, fähig. Niemals jedoch hätte ich gedacht, dass Hatho damals am Leben geblieben ist.«
    »Niemand darf erfahren, dass er es war. Ich will nicht, dass Ada und ihren Kindern etwas zustößt.«
    »Ich werde schweigen wie ein Grab.«

    »Besser wäre es, Gunda, wenn du nicht schweigst, sondern ein neues Märchen erfindest. Eine deiner sagenhaften Erzählungen. Wer könnte dieser Mann gewesen sein? Warum hat er es getan? Dir fällt sicherlich etwas ein.«
    »Da mach dir mal keine Sorgen, Ingakind. Im Erfinden solcher Märchen bin ich schon immer gut gewesen. Denke doch nur an die Geschichte von den Zwergen und dem geheimnisvollen Schlüssel zum Reich der Hel. Das wurde mir auch von vielen geglaubt. Eine Zeitlang wenigstens.«
    Dann drückte die Alte Inga fest an sich, nahm danach das Gesicht der jungen Frau in beide Hände, blickte sie lächelnd an, kniff ein Auge zu und verschwand wieder in der kleinen Tür ihres nicht viel größeren Grubenhauses.

XXXVIII
    D ie Weser war hoch im Norden, dort, wo sie ins große Meer mündete, bis weit in den Frühling hinein zugefroren gewesen. Zudem machten seit einigen Jahren die Nordmänner, auch Wikinger genannt, den Handeltreibenden – und nicht nur diesen – das Leben schwer, sodass Inga lange Zeit befürchtet hatte, die friesischen Kaufleute würden gar nicht mehr im Flecken Huxori erscheinen. Doch an einem recht diesigen, nebligen Morgen, der einen Tag voller Sonnenschein versprach, legten plötzlich zwei mit Säcken, Kisten und Fässern voll beladene Holzkähne an.
    Die Karawanenhändler, die mit Eseln, Pferden und Ochsenkarren aus dem Westen und dem Süden des Reiches anreisten, waren bereits seit mehr als sieben Tagen zugegen, und das Haus des Ottmar war zum Bersten voll mit hervorragend zahlenden Gästen.
    Sie alle hatten auf die Friesen gewartet, und sie alle hatten bereits zu zweifeln begonnen, ob diese überhaupt noch auftauchen würden. Man hatte sogar schon damit begonnen, nach anderen Handelsrouten zu forschen, kühne Pläne geschmiedet, gemeinsam weiter ins Land der Slawen zu reisen, denn auf die Friesen würde bald ganz und gar kein Verlass mehr sein.
    Diese Gespräche hatten Inga sehr betrübt, brachten sie doch ihren Plan durcheinander. Dennoch hatte sie beschlossen, zu
warten und zu hoffen, dass die Schiffe an einem der nächsten Tage eintrafen. Und dieser Tag war nun endlich gekommen.
    Alle strömten aus, hin zu der Furt, an der die Kähne angelegt hatten, und bald war die Taverne für ein paar Stunden leer. Gleich würden sie wieder zurückströmen, würden sich an die schmutzigen Tische des Ottmar setzen, sein warmes Bier trinken und dabei ihre Geschäfte abwickeln. Aber bis das so weit war, hätte Inga nun endlich einmal Zeit, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
    Ansgar war ruhig. Er saß auf einem Schemel im dunkelsten Bereich des Hauses und schnitzte an einer Holzfigur. Das tat er nun schon seit einigen Wochen. Ein ganzes Heer kleiner, hölzerner Krieger hatte er bereits erschaffen, und das Gute an dieser Arbeit war, dass er dabei nicht nur friedlich war, sondern auch schwieg. Mit gutmütiger Miene ging er seiner Beschäftigung nach, und Inga musste hin und wieder rührselig lächeln, wenn sie ihn beobachtete, denn irgendwie tat er ihr leid. Es musste ein wahres Teufelsgebräu gewesen sein, welches Ada dem Armen verabreicht hatte, ein Gemisch, welches noch aus den Tagen der Seherin Wanda stammte. Ada hatte Inga bei einem ihrer letzten Besuche – dem Begräbnis der armen Gisela, die einem schrecklichen Darmleiden erlegen war – angeboten, ein weiteres Tonfläschchen mit diesem Gift an sich zu nehmen, um Ansgar weiterhin ruhigzustellen, doch Inga wollte sich lieber auf ihre eigene Mixtur verlassen. Die war harmlos, aber dennoch effektiv und

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