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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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konnte sie nicht wieder zurück. Fand man heraus, dass er noch lebte, würde das vollkommene Chaos in der Siedlung ausbrechen. Beros, Adas und Ingas Plan würde hinfällig, denn Ansgar kannte die Wahrheit. Er war zwar ein Holzkopf geworden, aber in seinen lichten Momenten hatte er durchaus gezeigt, dass er genau wusste, wer hinter all den Taten steckte, die seine Familie hatte erleiden müssen. Er musste weg, weit weg – und jetzt blieb Inga nur noch eine einzige Möglichkeit. Besser war es, ihn sofort zu finden, bevor er noch ein Unglück anrichtete.
    Nicht, dass er auf die Idee kam, in die Siedlung zurückzukehren.
    Oh nein!

    Inga schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. Wie konnte sie nur so dumm sein! Natürlich war er auf dem Weg zu seinem Heimathof. Wo sonst konnte er sein? Und sicherlich war er bereits angekommen, es waren ja schon mehr als fünf Stunden seit seinem Verschwinden vergangen.
    Vielleicht hatte er einen erneuten hellen Moment gehabt in dieser Nacht? Ja, wahrscheinlich hatte er sich dümmer gestellt, als er tatsächlich war, und nun war er sicherlich längst dabei, Ada zu erwürgen und Bero zu erschlagen. Nichts anderes führte er im Schilde.
    In Ingas Kopf pochte es, bunte Punkte schwirrten vor ihren Augen. Sie hatte sich doch so sehr gefreut. Voller Erwartung hatte sie diesen letzten Moment herbeigesehnt, ihre Rettung – und nun war alles vorüber, und sehr wahrscheinlich ging es nun auch ihr ans Leben.
    In diesem Moment fuhr der Friesenkahn an ihr vorüber, er fuhr die Weser flussabwärts in den Norden hinauf. Nur schemenhaft konnte Inga auf dem Boot die Umrisse des Händlers und seiner Männer erkennen. Mehr schlecht als recht hielten sie sich aufrecht. Rudern musste zum Glück kaum einer, man ließ sich treiben. Alle machten einen wenig gesunden Eindruck. Zu tief hatten sie gestern in ihre Trinkgefäße geschaut. Einem einzigen jedoch schien es gutzugehen.
    Ausgesprochen gut. Ja, der Mann winkte ihr sogar zu.
    Müde hob Inga die Hand und winkte lustlos zurück.
    »In den Norden reise ich, gute Frau«, rief eine tiefe, ihr seltsam bekannte Stimme. »In den Norden. Dort werde ich meinen Bruder finden.«
    Mit einem Mal durchfuhr es Inga wie ein Blitz. Das Blut strömte zurück in ihre Adern, die bunten Punkte vor ihren Augen verschwanden, und mit vor Erstaunen geöffnetem Mund stand sie am Weserufer und starrte auf das Friesenboot.

    Da war er. Da war er tatsächlich auf dem Kahn der friesischen Händler, und er winkte!
    Er winkte ihr zu und rief, verabschiedete sich von ihr, ohne sie zu erkennen. Und die betrunkenen Friesen hatten den zusätzlichen Bootsmann bislang noch nicht einmal bemerkt.
     
    Mit einem seligen, wie festgewachsenen Lächeln auf dem Gesicht stapfte Inga zurück zur Taverne, packte schweigend ihre Siebensachen und sagte dem darüber äußerst wütenden Ottmar und dessen siecher Mutter Lebewohl.

EPILOG
    Zwei Jahre später, im Jahre 829
    G ute Gunda, ich komme, um mich zu verabschieden.«
    Bruder Melchior betrat betrübten Blickes das Grubenhäuschen der alten Frau. Etliche Male war er in den letzten beiden Jahren hier gewesen, zahlreiche Geheimnisse teilte er mit dem spätberufenen Kräuterweiblein, welches sich noch immer beharrlich gegen die frohe Botschaft zur Wehr setzte. Doch das störte den Mönch nicht, er mochte sie dennoch, mochte sie vielleicht gerade wegen ihres heidnischen Starrsinns. Und aus diesem Grund sprachen sie niemals über den einen und auch nicht über die anderen Götter. Sie redeten vielmehr über Heilkunde, über Insekten, über die Leute im Tal und auf den umliegenden Höfen, und sie redeten über Inga und Agius.
    »Verabschieden? Ach was. Ich habe hier ein wunderbares Gebräu, lieber Melchior. Ein wunderbares Gebräu, etwas scharf, aber wirkungsvoll. Koste und rate, was es sein könnte.«
    Gunda schien die Worte des Mönches vollkommen zu ignorieren, stattdessen hielt sie ihm eine Schale mit einem grünen Saft unter die Nase. Er roch tatsächlich scharf, so scharf, dass Melchior wenig Lust verspürte, sich damit Gaumen und Rachen zu verbrennen. Der Anstand gebot ihm jedoch, das Gefäß entgegenzunehmen, er nippte nur leicht daran, gab sich Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen, und keuchte schließlich: »Pfefferminze.«
    »Wenn es nur das wäre, lieber Melchior. Aber nein, es ist
mehr. Das Zeug würde sogar den mächtigen Thor von den Füßen holen. Und der Herr Jesus, der würde es sicherlich erst gar nicht probieren wollen.« Gunda zwinkerte

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