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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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an. Der schenkte ein. Die Flasche war dann leer. Gregory deutete ihm, eine zweite Flasche zu bringen.
    Das sei doch ganz unwichtig, sagte Marina. Jetzt ginge es um diese Angelegenheit. Sie und Gregory hätten gleiche Interessen gehabt. Sie sei nicht so sicher, ob das noch der Fall sei. Sie schaute Gregory wütend an.
    Ob das mit den Fusionen zu tun habe, fragte sie. Marina wandte sich ihr scharf zu. Gregory schob seinen Teller weg. Ob man das so besprochen habe. In Nottingham, fragte er. Ob sie da etwas gehört hätte. Er müsse das wissen. Er sprach scharf. Er zischte. Er solle sich da jetzt nicht wichtigmachen. Es ginge um eine Familienangelegenheit. Sie habe gedacht, er sei auf ihrer Seite. Marina war rot im Gesicht geworden.
    Sie lehnte sich zurück. Sie wusste, wie diese Predigt weitergehen würde, und Marina ließ sich auch nicht weiter unterbrechen. Marina redete weiter. Der sommelier brachte die zweite Flasche. Öffnete sie. Der Kork. Gregory kostete. Neue Gläser wurden gebracht. Es wurde eingeschenkt. Marina redete weiter. Sie wisse, dass Amalia Probleme damit habe, dass ihr unbekannter Großvater wahrscheinlich ein Nazi war. Sie wüssten ja alle, warum ihre Schwester den Namen nicht preisgeben wollte. Er war nicht koscher. Die ganze Sache war übel. Wenn es eine Gerechtigkeit gäbe, würde schon die Mutter von Amalia aus der Erbfolge ausgeschlossen worden sein. Und am besten gleich ihre Schwester. Amalias Großmutter also. Die habe sich von Anfang an nicht ihrer Erbschaft würdig erwiesen. Auf keiner Ebene. Sie habe ihr ganzes Leben nichts als Schwierigkeiten mit dieser Schwester gehabt und immer alles regeln müssen. Dabei sei sie die Jüngere. Aber die habe selbst ja auch schon einen anderen Vater als sie. Ihr Vater. Der wäre wenigstens ein Künstler gewesen. Sie. Marina. Sie sei dadurch die natürliche und soziale Erbin geworden. Aber wie gesagt. Sie sei diese Schwierigkeiten gewohnt. Sie sei eine Märtyrerin. Aber jetzt sei es einfach genug. Sie könne nicht einsehen. Niemand könne das einsehen. Wieso und warum Amalia diese Angelegenheit zum Scheitern bringen wolle. Es gäbe Kräfte in Österreich. Und da solle sie sich keine Illusionen machen. Es gäbe Kräfte in Österreich, die alles tun würden. Aber auch alles. Um diese Restitution zu verhindern. Diesen Kräften wäre alles recht. Jede Ausrede käme denen parat, und sie. Amalia. Sie würde diesen Kräften in die Hände spielen. Sie unterstütze damit alle diese alten Nazis da. Man müsse sich immer erinnern, dass da heute die Kinder von den Arisierern an der Macht wären. Amalia müsse ihre Erbschaft aus dem Holocaust akzeptieren. Da könne sie nichts dagegen tun. Selbst wenn sie halb aus dem Holocaust käme und halb aus einer Nazifamilie stamme. Die Holocausterbschaft verpflichte sie, und wenn sie das nicht bald einsähe, dann tue es ihr leid. Aber sie müsse dann sagen, dass Amalia eine Schande wäre. Eine Schande sei. Eine Schande wäre und dann verzichten solle. Dann solle Amalia einen Erbverzicht unterschreiben und ein Ende machen. Amalia solle diese unwürdigen Verhandlungen beenden. Sie habe es satt, hinter Amalia hertelefonieren zu müssen. Mit diesen seltsamen Leuten da in Stockerau. Nie wäre sie in ihrer Wohnung zu erreichen, und jedes Mal sei da jemand anderer dran. Wohne sie denn überhaupt noch in Wien. Sie habe etwa dreihunderttausend Nachrichten auf Amalias cell phone hinterlassen. Sie sei am Ende. Und sie müsse zugeben. Sie sei gedemütigt. Ob Amalia zufrieden sei damit.
    Die Hauptspeisen wurden gebracht. Die Vorspeisenteller waren mit den Gläsern weggetragen worden. Die 3 Kellner gaben ihr Synchronballett mit den Dampfdeckeln. Hielten sie am Griff. Hoben sie zur gleichen Zeit ab. Marina redete währenddessen. Als sie sagte, dass Amalia eine Schande sei, sagte der maitre d’: »Charcoal grilled chateaubriand with pommes soufflées. And for you, Madam, a garden salad with shrimp. Bon appetit.« Sie aßen dann schweigend. Gregory schenkte den Wein selber nach. Diesmal kam niemand gelaufen, ihm die Flasche aus der Hand zu reißen. Gregory murmelte etwas von »lepers«. Sie waren vollkommen isoliert. Da. In der Ecke.
    Sie aß vor sich hin. Sie war hungrig. Sie würde heute nicht so schnell wieder etwas zu essen bekommen. Sie schaute auf ihren Teller. Sie fühlte, wie Marina sie verachtete. Ihr war ein bisschen kühl. Sie war nicht so perfekt für die Klimaanlage angezogen wie Marina. Sie wollte fragen, ob Marina im Haus bei sich

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