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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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war es zu sehen gewesen. Nur einen Augenblick. Und alle hatten gelacht. Im kleinen Gemeinschaftsraum mit dem Fernsehapparat. Alle, die mit ihr dagesessen. Die hatten gelacht. Ned und Bennie hatten gelacht und zum Lachen ihre Zahnstocher aus dem Mund genommen. Wie sollte sie ihrer alten Großtante Marina erklären, dass sie dieses Mädchen war. Und weil sie dieses Mädchen war. Dass deshalb das alles gleichgültig. Die Anliegen von der Marina. Sie waren nicht wichtig. Sie selbst war nicht wichtig. Sie hatte keinen Augenblick mitgelacht. Sie war sofort erschrocken gewesen. Sie hatte die Hände vors Gesicht schlagen müssen. Das hatte niemand bemerkt. Die hatten gleich über die Atombombe zu reden begonnen.
    Sie führte Marina durch die Lobby hinaus. Ein Taxi wurde herbeigewinkt. Sie half Marina hinein. Stieg nach. Schloss die Tür. Sie befahl sich, nicht zurückzuschauen. Marina sagte dem Fahrer die Adresse. Sie beugte sich über sie und schaute zum Hoteleingang zurück. Gregory hätte sich verabschieden können, sagte sie. Sie sagte das auf Deutsch und lachte. Sie lehnte sich zurück. Sie könne jetzt schlafen. Das sei alles so anstrengend. Diese Gefühle. Diese Aufregungen. Marina lehnte sich gegen sie und seufzte. Sie war starr. Sie hätte stundenlang mit diesem Taxi herumfahren mögen und so starr sitzen bleiben. Aber es war nicht weit bis zu Wellington Square.

August.
    Sie saß auf dem Bett. Das Fenster. Die nächtliche Stadt. Lichter. Ein dunkel wolkiger Himmel. Keine Sterne. Die Flugzeuge aus dem Westen unter den Wolken zu sehen. Es musste Ostwind sein. Die Flugzeuge flogen den Flughafen vom Westen an. Überflogen die Stadt. Sie zählte die Flugzeuge. Sie kam aber gleich durcheinander. Sie hatte sich umgedreht. Es waren Schritte auf dem Gang zu hören gewesen. Sie hatte sich umgedreht, um zu sehen, ob man die Füße sehen konnte. Unter der Tür ein breiter Spalt. Das Licht fast eine Handbreit. Sie hatte sich gewünscht, diese Füße gehen sehen zu können. Sie hatte sich gewünscht, eine Person draußen zu wissen. Die Schritte. Sie hatte gehofft, es käme jemand ins Zimmer. Irgendjemand. Sie war allein. Nach einer Viertelstunde. Es konnte nicht viel länger gewesen sein. Sie fühlte sich einsam, als wäre sie die letzte Person auf der Welt. Sie sehnte sich nach einer Person. Nur irgendeine Person, die ins Zimmer kam. Die das Licht aufdrehte. Die sich vergewisserte. Die sah, dass sie da war. Die ihr zunickte. Sie etwas fragte. Die etwas holte. Etwas brachte. Die nachsah. Jedes Wort hätte ihr geholfen. Der Anblick einer anderen Person. Die Anwesenheit.
    Es konnte noch nicht lange sein. Sie verbat sich, auf die Uhr zu schauen. Dazu hätte sie das Licht über dem Bett einschalten müssen. Kurz. Wenigstens. Das Licht über dem Bett schaltete sich mit einem Geräusch ein. Ein klickendes Geraschel, bis die breite Leuchtröhre zu strahlen begann. Das war dann gedämpft. Aber das Geräusch weckte auf. Die regelmäßigen Atemzüge. Sie würden ins Taumeln kommen. Es war zu sehen. Wenn die Tante Trude aus dem Schlaf gerissen wurde. In ihrer Vorstellung war sie vor etwas davongelaufen und hatte mit den Armen um ihre Balance gerudert. Erschöpft und verwirrt. Als wäre sie gelaufen und hingefallen und wieder aufgetaumelt. So wachte sie auf.
    Später in der Nacht. Die Tante Trude. Sie begann dann zu reden. Stöhnte. Seufzte. Greinte. Sie greinte trostlos. Ein zweijähriges Mädchen. Dann wollte sie auch reden. Am Anfang der Nacht. Am Anfang der Nacht schlief sie tief. Man war überflüssig. Noch. Sie hätte den Rat der Krankenschwester befolgen sollen. »Setzen Sie sich in die Ecke und lesen Sie. Das Licht wird Ihre Mutter nicht stören. Im Gegenteil. Und Sie können sich beschäftigen. Nächte sind lang. Ich weiß das.«
    Es waren 15 Minuten gewesen. Sie hatte ihr handy aus der Tasche gefischt und unter das Bett gehalten. Das bläuliche Licht des displays unter dem Bett. Es waren genau 15 Minuten vergangen, seit die Nachtschwester das Licht abgedreht hatte. Sie konnte nicht hier sitzen. Es ließ sich nicht machen. Ruhig sitzen. Sie stand auf. Ging zur Tür. Sie horchte. Die Atemzüge gleichmäßig. Sie ging an die Tür. Sie wartete wieder. Horchte. Sie zog die Tür auf und drängte sich aus dem Krankenzimmer hinaus. Schloss die Tür hinter sich.
    Die Station war schon geschlossen. Die Tür zum Liftfoyer hinaus zu. Ein Schild. »Geschlossen. Bei Wiedereintritt bitte klingeln.« Sie stand auf dem Gang. Eine Frau weit unten.

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