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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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wenigstens diese Folge von »Germany’s Next Top Model« nicht versäumt haben. Er liebe Heidi Klum. Er verehre Heidi Klum. Wenn er noch einmal auf die Welt käme, dann wolle er von Heidi Klum erzogen werden. Er hatte seine Mutter angegrinst. Sollten sie nicht Amy da einschleusen. Die wäre mit 24 zwar recht alt. Aber man sollte nichts unversucht lassen. Er würde Amy da casten lassen, und er würde die weiteren Folgen übernehmen. Er. Er würde die Allerbeste und Allerfieseste sein. Ihm könnten es gar nicht genug Ratten sein, die über sein Dekolleté tapsen sollten. Im Gegenteil. Er würde noch ganz andere Tiere ertragen. Heidi. Sie würde ihn dann so anschauen. Anschauen müssen. Er machte es nach. Ein streng prüfender Blick. Offen und leer. Ein kurzes Schmelzen in Lieblichkeit. »Well done.« Die erlösende Nachricht. »Du bist weiter.« Ach. Das wolle er erleben. Ein solche Erlösung. Er habe hier nur diesen Professor Christian. Der schaue zwar auch so prüfend. Aber er beherrsche dieses liebliche Lächeln nicht. Gar nicht. Obwohl. Er könne sich wiederum auch vorstellen, einer dieser Assistenzärzte zu sein. Und wenn er so überlege. Eigentlich sei er ja doch in so einen beauty contest geraten. Der eine Assistent. Ein schlanker Dunkelhaariger. So eine strenge Dame. Der war für eine Dauervernagelung seines Knies. Der andere Assistent. Der große Sportliche. Der offen Naive. Der den Professor offen anhimmelte. Der war für Verdrahtungen, die wieder entfernt werden sollten. Er. Gino. Er war für die strenge Dame. Natürlich. Aber der Professor Christian. Der bevorzugte den Sportlichen. Er würde verdrahtet werden. Es war aber auch ein Kompliment. Das hieß ja, dass sie ihn wiedersehen wollten.
    Gino. Sie bemerkte die Träne erst, als sich ihr Kinn nass anfühlte. Rechts. Eine Träne. Aus dem rechten Auge. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange. Das Brötchen stand vor ihr. Durchgeschnitten. Die Butter daneben. Sie nahm das Messer. Strich die Buttersemmel. Streute Salz auf die Butter. Klappte die Semmel zu. Schaute die Semmel an. Sie konnte nichts essen. Sie konnte nichts in den Mund tun. Der Mund wie gefüllt. Vollgestopft. Verschwollen. Nichts passte hinein. Sie nahm Servietten aus dem Serviettenspender auf dem Tisch. Sie breitete die kleinen Servietten so übereinander, dass sie die Semmel einpacken konnte. Sie wickelte die Semmel ein. Steckte sie in ihre Tasche.
    Ginos Mutter zahlte dann. Sie sollten hinausgehen und spazieren. Hinter dem Klinikum. Da gäbe es Wiesen. Ob sie lieber allein sein wolle, fragte sie. Ginos Mutter schaute in ihre Geldbörse. Wie sie darauf kommen könne. Nein. Im Gegenteil. Sie wäre sehr froh, nicht allein warten zu müssen. Wie überhaupt. Die Frau hob die Schultern. Hielt die Luft an. Ließ die Schultern fallen. Atmete aus. Fuhr mit der Hand durch die Luft. Dass Ingo in ihrem Leben zurück sei. Die Frau schaute sie an. Presste die Lippen zusammen. Sie gab der Kellnerin 10 Euro. Die Kellnerin solle den Rest behalten. Die Kellnerin steckte das Geld ein. »Vielen Dank und alles Gute.« sagte sie.
    Sie gingen in die Halle hinaus. Das Bistro nun voll besetzt. Patienten in den Anstaltsmänteln in den bayrischen Landesfarben. Angehörige. Alle redeten. Es lachte niemand. Sie schaute sich um. Alle ernsthaft und fragend. Sorgenvoll. Die Köpfe gebeugt. Schicksal.
    Sie gingen weiter. Durch den Haupteingang zum Parkplatz hinaus. Sie entschuldigte sich und ging zum Auto. Legte ihre Tasche ins Auto. Verschloss das Auto. Folgte Ginos Mutter. Die wanderte um die Gebäude. Sie wolle dahin, wo man von Ingos Zimmer aus hinsehen könne, sagte sie, als sie ihr nachgekommen war. Sie fanden diese Buchenallee aber nicht. Zuerst wurden sie durch Zäune aufgehalten. Dann hatten sie eine Ausfahrt nach hinten gefunden und waren hinausgelangt. Dann aber wurden sie von einem kleinen Bach aufgehalten. Sie mussten die Straße entlanggehen. Sie konnten beide nicht mehr sagen, wo Ginos Zimmer sein hätte können. Sie gingen hintereinanderher. Ginos Mutter voraus. Die Autos knapp an ihnen vorbei. Erst nach langem Gehen kamen sie an einen Feldweg, und sie konnten ungehindert nebeneinandergehen. Sie gerieten zwischen Wiesen und leere Felder. Trockene Erde. Sie gingen auf die Berge zu. Aber die Berge hier im Bogen um das Tal. Die Himmelsrichtung. Sie dachte, dass sie eher nach Osten gegangen waren. Sie war aber nicht sicher. Die Sonne so steil über ihnen. Die Straße verlief sich dann. Getrocknete

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