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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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schüttelte den Kopf. Das war der Stress. Bei Stress geriet sie in solche Wörtlichkeiten. Eine von diesen überflüssigen Begabungen. Sie lachte wenigstens nicht mehr laut. Sie blieb allein im Lift. Sie konnte sich in Ruhe befugte Personen vorstellen. Es war dann wohl eine Stilentscheidung, welche Art von Fugen diese Personen wählten. Oder erwarb man da die Befugung und musste nehmen, was da kam. Dehnungsfugen. Dichtungsfugen. Anschlussfugen. Sanitärfugen. Glasfugen. Der Onkel Schottola hätte für alles die richtige Technik gewusst. Sie wären zum ÖBAU Fetter in der Horner Straße gefahren und hätten lange Gespräche über Fugen geführt und ob man sie betonen sollte oder ob man sie zum Verschwinden brachte und man sie nicht sehen musste.
    In der Eingangshalle. Niemand saß mehr in den Sesselreihen. Eine Putzfrau entnestelte das Kabel eines Staubsaugers. Sie stand hinten. Im türkisfarbenen overall. Trat gegen den Staubsauger. Sie ging nach rechts zum Eingang. Was sollte sie jetzt tun. Die Türen glitten auf. Eisig kalte Luft floss herein. Der Mann an der Rezeption rief nach ihr. »Frau Denning.« rief er. Sie ging zu ihm. Es ginge um die Aufnahmeformulare. Ob sie die ausfüllen könne und die Versicherungskarte ihres Mannes. Das wäre wichtig. Sie nahm die Papiere in die Hand. Wäre es nicht am einfachsten, sie nähme das mit. Sie wäre ohnehin auf dem Weg zum Arbeitgeber ihres Mannes. Sie wohnten da. Da könne sie das alles in Ruhe. Sie lächelte den Mann an. Der stand höher und schaute auf sie hinunter. Er setzte sich. Sie konnten einander so in die Augen sehen. Das ginge nicht, sagte er. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre das sicher das Einfachste. Sie solle einfach die Unterlagen mitbringen, wenn sie wiederkäme. Er schaute sie prüfend an. Das habe ja alles auch Zeit. Dann hielt der Mann inne. Er schaute auf seinen Bildschirm hinüber. Dann begriff sie. Wenn sie jetzt die echte Ehefrau gewesen wäre. Jetzt hätte sie zu weinen beginnen müssen. Wieder. Dieser Mann hatte gerade gesagt, dass Gino noch lange dableiben würde. Oder sterben. Und dass dann ja alle Zeit der Welt sein würde. Für die Formalitäten. Gino sterben. Das war ihr noch gar nicht eingefallen. Kalte Wut füllte sie aus, und sie musste sich abwenden und weggehen. Wie konnte dieser Mann das andeuten. Wenn sie die wirkliche Frau gewesen wäre. Sie wäre doch zerstört gewesen.
    Sie ging mit großen Schritten in die Kälte hinaus. Der Mann rief ihr irgendetwas nach. Sie drehte sich draußen um. Der Mann hatte sich gesetzt und hielt seinen Kopf in beiden Händen. Sie ging zum Auto. Sie hörte eine Autotür schlagen. Ein schwarzer Schatten links weit außen. Sie riss die Autotür auf. Die Tür war angefroren, und sie musste ein zweites Mal an ihr reißen. Dann ließ sie sich auf den Fahrersitz fallen und drehte den Autoschlüssel. Sie hatte ihn stecken lassen. Wer wollte einen uralten Kia, und sie hatte es ja gestern auch so gemacht. Gestern. Das vielleicht Vorgestern gewesen war. Die Tür zum Beifahrersitz wurde aufgerissen. Der Starter gab einen dünnen Ton von sich, und der Keilriemen quietschte. Gregory ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Sie startete wieder. Diesmal funktionierte es. Der Motor sprang an. Sie wollte in den Rückwärtsgang schalten. Sie wollte weg. Ob mit Gregory im Auto oder allein. Sie wollte weg. Gregory lehnte sich gegen sie. Gregory lehnte sich gegen ihre Schulter. Er hielt seinen Arm gegen ihren Arm. Das Kaschmir seines schwarzen Mantels warm wolkig. Gregorys Arm darunter hart gegen ihren. Sie war erstarrt. Sie hatte in der Bewegung innegehalten und war gegen Gregory angelehnt geblieben. Erst ihr Kältezittern gegen ihn machte sie darauf aufmerksam. Gregory sagte nichts. Er schaute nach vorne durch die Windschutzscheibe hinaus. Die Scheibe wieder vereist.
    »Would we want to be rid of this ice.« stöhnte er und blieb sitzen. Die Lüftung blies eiskalte Luft gegen die Scheibe. Sie habe das sehr gut gemacht, sagte er dann. Sie ließ den Arm sinken. Er nahm ihre Hand in seine. Er trug Handschuhe. Weiche Sämischlederhandschuhe. Er umschloss ihre Hand. Es wäre genial gewesen von ihr, sich als die Ehefrau auszugeben. Ja. Er habe das alles mitbekommen. Amy habe damit die Aufmerksamkeit von Cindy und ihm abgelenkt. Sie hätte perfekt improvisiert. Wenn sie das geübt hätten, es hätte nicht besser sein können.
    Sie wollte protestieren. Sie wollte sagen, dass sie Gino mochte. Dass sie mit Gino so ein

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