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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Boden da noch kälter, und sie begann zu zittern. Im Badezimmer war es richtig kalt. Der kleine Heizkörper unter der Dachluke auf null gestellt. Sie konnte es von der Dusche aus sehen. Sie hatte gestern aufgedreht. Melvin musste wieder abgedreht haben. Wahrscheinlich hatte Melvin den strengen Auftrag, keinerlei Energiekosten zu verursachen. Sie musste ja auch in der Küche ganz unten bleiben. Alle übrigen Räume waren ungeheizt.
    Sie zog das Nachthemd weg. Es war nicht so viel Blut. Sie versuchte zu glauben, dass das alles normal war. Der Versuch gelang nur kurz. Die Regel. Eine Menstruation. Menses. The Days. The Cycle. The Period. Der Besuch. Die Regelblutung. Monatsblutung. Blutung. Das war längst fällig gewesen. Sie hatte nicht genau gewusst, wann. Sie hatte nur gewusst, dass es ausgeblieben war. Sie hatte sich aber keine Sorgen gemacht. Sie hatte keinen Sex gehabt. Seit dem surfcamp im Sommer nicht mehr. Es konnte nichts sein, und sie hatte es genossen. Keine Verhütung. Keine Anstrengung. Kein Gedanke an das alles. Sex, das hatten alle anderen, und sie hatte sich abgewendet. Aber während sie das Nachthemd auseinanderfaltete und das Höschen hinunterzog. Das hier. Das war etwas anderes. Sie wusste nicht, was. Aber normal war da nichts. Das ließ sich nicht glauben. Sie ließ den Slip auf den Boden der Dusche gleiten und hockte sich auf den Rand der Duschtasse.
    Es sah aus wie ein Stück Leber. Es war glattes Gewebe. Dunkelbraunrot. Glänzend. Und etwas hing weg. Sie hob dieses Ding auf. Beim Angreifen. Wie Leber. Es war warm und rutschig. Sie schaute genau. Dann war das Zittern zu stark. Sie musste wieder aufstehen. Sie wollte das Ding in die Toilette werfen. Sie hatte ein Handtuch zwischen die Beine geklemmt und stand vor der Toilette. Starrte in die Toilette. Dann nahm sie die Seifenschale vom Rand der Waschmuschel. Sie kippte die Seife in die Toilette. In der linken hielt sie das Ding. Vorsichtig. Auf der Handfläche. Sie konnte sich im Spiegel sehen. Ihre Haare wirr um den Kopf und die Schultern. Das graue Nachthemd vorne verballt und fleckig. Sie. Die linke Hand verdreht. Sie hielt die linke Hand ihrem Spiegelbild hin. Aber sie wusste nichts. Ihr war elend. Aber anders. Anders elend als in den letzten Wochen. Sie ließ Wasser über die Seifenschale rinnen. Die Seifenschale oval mit einem Blumenkränzchen am Rand. Blitzblaue Blümchen. Sie schaute dem Wasser zu, wie es sich in der Seifenschale fing und drehte und dann über den Rand davonrann. Das Wasser wurde dann heiß. Der Dampf in der kalten Luft. Stieg auf und begann, den Spiegel zu beschlagen. Sie drehte ab. Trocknete die Seifenschale mit einem Handtuch ab. Legte das Ding hinein. Sie ging in ihr Zimmer zurück. Stellte die Seifenschale mit dem Ding auf das Fensterbrett. Es gab sonst nichts, etwas abzustellen. Bett. Sessel. Kasten. Nicht einmal ein Nachtkästchen. Sie musste telefonieren. Sie musste mit jemandem reden. Sprechen. Beraten. Fragen. Sie nahm die Daunendecke um den Leib und lief hinunter. An Selinas Apartment vorbei die Stiegen hinunter. Marinas Schlafzimmer im nächsten Stockwerk. Marinas Studio. Noch ein Stockwerk tiefer. Sie riss die Tür auf. Es war warm hier. Hier war die Heizung voll aufgedreht. Sie ging an den Schreibtisch zum Telefon. Sie setzte sich in den breiten Chefsessel da. Die Tuchent rund um sich. Wen sollte sie anrufen. Sie fühlte Blut warm und klebrig zwischen den Beinen. Angst überfiel sie. Sie bekam keine Luft. Konnte sich nicht bewegen. Sie hätte nicht schreien können. Die Angst hämmerte in ihrem Kopf und in der Brust. Schlug gegen die Brust innen. Tobte bis in die Fingerspitzen. Sie starb. Sie war sicher. Wusste. Klar und eindeutig. Sie starb jetzt.
    Der Schreibtisch stand an den französischen Fenstern zu Wellington Square. Die grünen Samtvorhänge mit Goldkordeln zusammengerafft. Draußen. Grau. Die Häuser gegenüber. Weiß. Alle gleich. Die Geländer an den Stufen zu den Türen. Goldglänzend. Die Türen. Schwarz und weiß. Die Säulen neben den Aufgängen. Weiß kanneliert. Und sie starb jetzt. Starb. Jetzt gerade. In diesem Augenblick. Und alles war still. Niemand da. Nicht einmal auf der Straße ein Mensch.
    Sie zog das Telefon zu sich. Die Daunendecke rutschte davon. Sie zerrte sie wieder hinauf. Sammelte die Wärme um sich. Das Mammerl war nicht da. Oder hob nicht ab. Weil sie an der ID -Kennung gesehen hatte, dass Marina anrief, und sie nicht mit ihr reden wollte. Es kam aber auch kein

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