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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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sagte der Onkel Schottola. Er müsse noch einkaufen. Milch und Brot. Er habe nichts zu Hause. Und dann wolle er den ganzen Nachmittag bei Trude bleiben. Sie habe heute keine Chemo, und er würde ihr vorlesen. Was er ihr denn vorläse, fragte sie. »Don Quixote.« antwortete er und lachte leise. Ob es ihr wieder gutginge. Und ja. Sie konnte das bejahen. Sie glaubte nicht mehr, dass sie sterben müsse. Das sagte sie aber nicht. Sie schickte ihm Bussis, und dann legten sie auf. Sie wusste jetzt auch, was das war. Sie hatte eine Fehlgeburt.
    Das, was sie da in der Seifenschale auf das Fensterbrett in ihrem Zimmer oben gestellt hatte. Das musste eine Fehlgeburt sein. Es gab keine andere Erklärung. So, wie das aussah. Wie sich das angriff. Wie sie sich gefühlt hatte. Das Unmögliche war nur, dass sie mit niemandem geschlafen hatte. Seit dem August in Soulac-sur-Mer hatte es niemanden gegeben. Wenn sie davon schwanger gewesen wäre, dann wäre sie im 5. Monat gewesen, und das war nicht möglich. Sie hatte dazwischen die Regel gehabt. Oder doch. War das doch möglich, und sie würde in der nächsten Stunde einen Blutsturz haben und hier in diesem Haus verbluten. Sie hatte heute noch nichts von Melvin gehört. Der war gar nicht zurückgekommen. In der Nacht. Der feierte durch, und sie war allein. Ganz allein. Allein mit ihrem toten Kind. Schon während sie das zu denken begann. Während sie das Wort »totes Kind« zu denken anfing, musste sie den Kopf auf den Tisch legen. Sie legte die Arme auf den Schreibtisch und den Kopf auf die lederne Schreibunterlage. Sie lag so über den Tisch geworfen und fühlte die Kühle des Leders und die Kälte des Holzes gegen das Pulsieren ihres Blutes unter der Haut. Ihr totes Kind. Das Vorwerfen ihres Körpers hatte einen Schwall Blut austreten lassen. Sie musste zu einem Arzt. Sie musste versuchen, ob etwas zu retten war. Aber was sollte gerettet werden. Es konnte nichts geben. Es konnte kein Kind geben. Es konnte keine Schwangerschaft geben. Aber sie wusste es ganz genau. Während des Gesprächs mit dem Onkel Schottola. Während sie ihn über seine Wochenendpläne ausgefragt hatte. Während er über die Krankheit von der Tante Schottola geredet hatte. Es war aus sich heraus klargeworden. Das war eine Fehlgeburt. Ihr Körper wusste das ganz genau. Sie war unsicher. Es tat nichts weh. Jetzt nicht. Es war leer. Tief im Bauch war es leer. Ihre Wange lag auf dem Leder. Das Leder erwärmte sich, und sie begann zu schwitzen. Sie konnte spüren, wie ihre Haut feucht wurde und das Leder an der Haut zu kleben begann. Klebrig. Die Haut wurde klebrig. Die weitausgestreckten Arme. Das Holz blieb kalt. Unerträglich. Alles unerträglich. Warum war sie nicht gestorben. Sie wollte nicht weiter.
    Es war dann, weil sie erstaunt war. Sie schüttelte den Kopf. Vor Staunen. Was ihr da geschah. Geschehen war. Geschehen würde. Das passierte ihr nicht. Das konnte ihr nicht passieren. So etwas passierte nicht. Ihr nicht. Und beim Schütteln blieb das Leder an der Wange kleben. Sie hob den Kopf. Die Schreibunterlage verrutschte. Papier kam zum Vorschein. Sie schob die Schreibunterlage zur Seite. Sie kannte den Briefkopf. Das war der Anwalt, der die Sammelklage organisiert hatte. Wegen dieser Sammelklage saß sie hier. In London. Weil die Marina ihre Unterschrift brauchte. Weil sonst der österreichische Staat nicht über die Rückgabe des Bilds weiterverhandeln würde. Wenn nicht alle Erben in einer Erbengemeinschaft zusammengefasst aufträten, dann würde es keine Restitutionsverhandlungen geben. Es sollten alle Forderungen gebündelt vertreten werden. Der Anwalt hatte sie mit Briefen verfolgt. Die Marina war sogar zum Mammerl nach Wien gekommen, und die hatte brav unterschrieben. Wie immer. Das Mammerl war der Marina noch nie gewachsen gewesen. Dabei war die Marina die jüngere Halbschwester. Um 15 Jahre jünger, aber trotzdem selber uralt. Sie hatte sich geweigert. Sie hatte sich geweigert, weil die Betsimammi nicht vertreten gewesen wäre. Sie hatte ihrer leiblichen Mutter die Treue gehalten. Ihretwegen konnte die ganze Geschichte mit diesem blöden Bild ins Wasser fallen. Wenn ihre Mutter nicht beteiligt war, dann war das nicht die vollständige Erbengemeinschaft, und das galt alles nicht. Das konnte alles nicht gelten. Aber da war ihre Unterschrift. Sie kannte diese Schrift. Krakelig, eckig. Elisabeth Armbruster, geborene Schreiber. Adresse. 1130 Wien, Auhofstraße 56.
    Sie nahm die Papiere. Stapelte sie

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