Die-Schnaeppchenjaegerin
Kapitalanlagegeschäft.« Sie lässt den Blick durch den Raum schweifen, begegnet dem meinen und lächelt kalt.
»Exotic Opportunities«, flüstere ich Elly gehässig zu und zeige auf das Faltblatt. »Das Einzige, was daran exotisch ist, sind die Preise. Hast du gesehen, was die an Gebühren nehmen?«
(Ich gucke mir immer zuerst die Gebühren an. Genauso, wie ich immer als Erstes aufs Preisschild schaue.)
Elly verdreht zustimmend die Augen und konzentriert sich weiter auf ihr Handy.
»Foreland Investmentpläne machen mehr aus Ihrem Geld«, verkündet Alicias blasiertes Stimmchen. »Foreland Investmentpläne bieten mehr.«
»Mehr Gebühren und mehr Verluste«, sage ich ohne nachzudenken laut vor mich hin und löse damit allgemeines Gelächter aus. Gott, wie peinlich. Jetzt starrt Luke Brandon MMM^H^
mich auch noch an. Ich senke blitzschnell den Blick und tue so, als würde ich mir etwas notieren.
Obwohl, um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, warum ich überhaupt so tue, als würde ich mir etwas notieren. Das Gesülze aus den Pressemitteilungen ist sowieso das Einzige, was wir hinterher abdrucken. Foreland Investments schalten jeden Monat eine ziemlich aufwändige, doppelseitige Anzeige bei uns, und außerdem haben sie Philip letztes Jahr eine ganz tolle Reise zu Recherchezwecken (haha) nach Thailand spendiert - wir dürfen uns also gar nicht anders als ausgesprochen positiv über sie äußern.
Alicia fährt fort, und ich beuge mich zu Elly.
»Also, was ist?«, flüstere ich. »Kann ich deine Kreditkarte ausleihen?«
»Gesperrt«, flüstert Elly entschuldigend zurück. »Habe mein Limit voll ausgeschöpft. Was meinst du, warum ich auf Essensmarken angewiesen bin?«
»Aber ich brauche Geld!«, flüstere ich. »Unbedingt! Ich brauche zwanzig Pfund!«
Das geriet wohl etwas lauter, da Alicia nämlich ihren Vortrag unterbricht.
»Vielleicht hätten Sie Ihr Geld Foreland Investments anvertrauen sollen, Rebecca«, sagt Alicia und erheitert damit das Publikum. Einige Köpfe drehen sich nach mir um, und ich funkele sie böse an. Schließlich sind das doch Kollegen! Die sollten auf meiner Seite sein! Wo bleibt denn da die brüderliche/schwesterliche Solidarität unter Journalisten?
»Wofür brauchen Sie denn zwanzig Pfund?«, fragt Luke Brandon von ganz vorne.
»Ich... meine Tante«, lüge ich. »Sie liegt im Krankenhaus, und ich wollte ihr ein Geschenk kaufen.«
Schweigen. Dann - ich kann es kaum glauben - greift Luke Brandon in seine Tasche, holt einen Zwanzig-Pfund-Schein heraus und reicht ihn einem der Journalisten in der ersten Reihe. Dieser zögert und gibt den Schein dann weiter an die Reihe hinter sich. Und so wandert ein Zwanzig-Pfund-Schein von Hand zu Hand und nähert sich mir wie ein Fan, der bei einem Konzert über die Menge hinweg zur Bühne transportiert wird. Als ich den Schein in die Hand nehme, klatschen die Leute Beifall, und ich laufe rot an.
»Danke«, sage ich peinlich berührt. »Sie kriegen es selbstverständlich wieder.«
»Und gute Besserung für Ihre Tante«, sagt Luke Brandon.
»Danke«, sage ich noch einmal. Dann sehe ich zu Alicia und empfinde einen gewissen Triumph. Sie sieht ganz klein und grau aus.
Gegen Ende der Veranstaltung, während der Frage-und-Antwort-Session, verlassen die Zuhörer einer nach dem anderen den Raum, um in ihre Büros zurückzukehren. Dies ist normalerweise der Zeitpunkt, an dem auch ich den Saal verlasse, mir irgendwo einen Cappuccino hole und ein bisschen durch die Geschäfte stöbere. Nicht so heute. Heute werde ich bis zur allerletzten lästigen Frage über Steuerstrukturen ausharren. Dann werde ich nach vorne gehen und Luke Brandon noch einmal persönlich für seine freundliche, wenn auch beschämende Geste danken. Und dann verschwinde ich und hole mein Tuch. Jippiiiie!
Doch zu meiner Überraschung erhebt sich Luke Brandon bereits nach wenigen Fragen von seinem Stuhl, flüstert Alicia etwas zu und geht in Richtung Ausgang.
»Danke«, raune ich ihm zu, als er an mir vorbeikommt, aber ich bin mir nicht sicher, ob er mich überhaupt gehört hat.
Auch egal. Ich habe die zwanzig Pfund, das ist alles, was zählt.
Auf dem Rückweg bleibt die Bahn ohne ersichtlichen Grund mitten in einem Tunnel stehen. Fünf Minuten vergehen, zehn. Ich kann mein Pech nicht fassen. Normalerweise sehne ich einen solchen Zwischenfall selbstverständlich herbei, nur, um eine Entschuldigung dafür zu haben, dass ich zu spät ins Büro komme. Aber heute führe ich mich auf
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