Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
…«
»Natürlich war mir klar, dass man unseren Kontakt falsch interpretieren konnte. Ich konnte ihm jedoch nicht die Wahrheit sagen, und auch sonst keinem. Aber das ist nun vorbei.«
Mira streckte sich, und ihre vertraute aufgeschlossene Miene kehrte zurück. »Was steckte eigentlich hinter Leos Entführung?«
»Bykows Bande wollte mich zum Schweigen bringen.«
»Du willst doch nicht im Ernst behaupten, dass es dabei nur um Drogen ging?«
»Es sieht so aus.«
Mira sah ihn ungläubig an.
»Wer war der Mann, mit dem du in den Wagen gestiegen bist? Und warum hat er euch freigelassen?«
Riku hatte mit diesem Moment gerechnet, und nun war er da.
»Ich kann es dir nicht sagen«, gestand er leise.
Mira schaute ihn lange an und sprach dann sehr langsam. »Du kannst es mir nicht sagen? Ich habe dir das Leben gerettet. Und davor ein Geheimnis, das du mir anvertraut hast, für mich behalten, auf die Gefahr hin, mein Ansehen und meinen Job zu verlieren. Und jetzt kannst du mir nicht die Wahrheit sagen?«
»Es tut mir leid, aber ich kann es einfach nicht. Ich werde es nie können. Niemandem gegenüber.«
Mira starrte ihn an.
»Ich verstehe«, sagte sie, verließ den Raum und warf die Tür hinter sich zu.
72
Feuerwehrmann Tommi Ruuska versuchte durch den vom Schweiß beschlagenen Gesichtsschutz hindurch zu sehen, wann die Betonmasse, die aus dem Rohr quoll, den oberen Rand der Verschalung erreicht hatte. Die Masse floss schnell, aber jede Sekunde kam Ruuska übermäßig lang vor. Den akustischen Alarm am Dosimeter hatte er längst ausgeschaltet. Er war wütend, und er hatte Angst, aber er war auch stolz auf sich, denn er wusste, er tat etwas wirklich Wichtiges.
Eine grelle Halogenlampe beleuchtete das Objekt seiner Arbeit, ein Loch in der rauchgeschwärzten Wand. Während der Bauphase waren die Qualität der Betonmasse und der Verarbeitung kontrolliert worden, jetzt ging es nur darum, so schnell wie möglich alle Löcher in der Reaktorhalle zu schließen, auch die allerkleinsten.
Die Masse lief über, bevor Ruuska dem Mann, der neben dem Betonfahrzeug die Steuerung bediente, ein Handzeichen geben konnte. Aber dann stoppte die Betonzufuhr aus dem ziehharmonikaartigen Rohr, und Ruuska ging ohne zu zögern hinaus, denn die Werte auf seinem Dosismessgerät waren bereits hoch genug.
Gegen die Bitterkeit, die ihm einen kleinen Stich versetzte, konnte er nichts machen. Wie einfach es sich die Chefs an ihren Schreibtischen machten, wenn sie Menschen zu Rettungsarbeiten schickten: Jede individuelle Strahlenbelastung wird beobachtet, alles wird notiert … Sah so der wirksame Schutz gegen Strahlenkrankheiten aus?Riku saß in seinem Wohnzimmer vor dem Kamin auf dem Fußboden, in der Hand den Pass, den er sich in Sankt Petersburg hatte machen lassen. Durch das offene Fenster drang der Duft des Gartens herein, den ein Sturzregen am Abend gegossen hatte. Der Fernseher zeigte eine Karte der näheren Umgebung von Olkiluoto.
»Infolge des Strahlenunfalls darf im Umkreis von dreißig bis vierzig Kilometern für die nächsten Jahre kein Vieh weiden und kein Ackerbau betrieben werden. Der radioaktive Niederschlag ist nach vorläufigen Schätzungen wenige Kilometer vom Kraftwerk entfernt so hoch, dass niemand in der Gegend leben kann. Derzeit wird die Bevölkerung evakuiert, anschließend wird das Gebiet für mehrere Generationen unbewohnt bleiben …«
Riku schob den Pass zwischen die brennenden Holzscheite im Kamin.
Im Fernsehen interviewte der Reporter einen Mann, der am Abend bereits mit seiner Familie evakuiert worden war.
»Unsere Familie lebt seit dem 18. Jahrhundert auf dem Hof. Nach dem Krieg wurden hier Vertriebene aus Karelien angesiedelt, jetzt werden wir selbst vertrieben …«
Riku wollte nicht weiter zuhören, er schaltete den Fernseher aus.
Dann sah er zu, wie die Flammen an den Rändern des Passes leckten. Er hatte seine Mutter angerufen, die von Sebastian Kellers Besuch erzählt und gefragt hatte, was eigentlich los war. Riku hatte sie belügen und sagen müssen, er wisse es nicht – um sie nicht in Gefahr zu bringen: Leo, seinen Vater und auch sich selbst. Vielleicht würde er seiner Mutter später einmal verraten können, dass sein Vater am Leben war.
Er nahm die Informationen zur Hand, die er aus dem Internet ausgedruckt hatte. Von dem Eigentümer der brasilianischen Elektrofirma gab es auf der Homepage kein Foto, sehr wohl aber welche vom Verkaufsleiter und anderen Mitarbeitern.Bei Gustav Berglund
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