Die schöne Ärztin
will dir sagen, Willi, wie's ist: Die Martha ist ein Mordsding, die was vor der Tür hat. Aber zum Heiraten will man was Solides haben …«
»Herr Pater«, stammelte Willi Korfeck. »Bestimmt, ich –«
»Trink, Willis-Bums! Über Martha reden wir noch!« Pater Paul Wegerich sah sich im Kreise um. »Ich will euch nur zeigen: Auch wenn ihr am Sonntag noch so laut in der Kirche singt, ich weiß, was für Höllenhunde ihr seid …«
In dieser Nacht wurde es sehr spät. Pastor Dorrmann, der evangelische Pfarrer, wurde gegen Morgen wach, weil auf der Straße gesungen wurde. Er trat ans Fenster und erkannte seinen Amtsbruder Wegerich, wie er Arm in Arm mit Korfeck und Barnitzki singend nach Hause zog. Kopfschüttelnd legte er sich wieder ins Bett und grübelte darüber nach, wie so etwas möglich war.
Am nächsten Tag hatte Buschhausen einen neuen, festen Bürger, der dazugehörte. Wir haben unseren eigenen Pater Leppich, hieß es.
Der Sonntag war ein warmer, etwas schwüler Tag. Wie immer war Buschhausen im Aufbruch, die einen fuhren zum Fußballspiel nach Herne, die anderen zur Leichtathletik-Ausscheidung nach Essen. Hans Holtmann fuhr mit einem Spezialwagen und seinen Brieftauben nach Wuppertal, wo eine Ausstellung der besten Kröpfer stattfand. Kurt Holtmann wollte sich – man verstand das nicht im Hause Holtmann – ein Wasserballspiel ansehen, und Barbara hatte eine Verabredung mit einer Freundin. Sabine Sassen ging wieder zum Tennisspielen, und Fritz Sassen traf sich heimlich mit Dr. Waltraud Born. Aber auch er log wie alle, indem er erklärte, zu einer Konferenz junger Physiker in Essen zu müssen.
Dr. Ludwig Sassen war froh, daß Veronika nicht wieder Lust zu einer Segelpartie zeigte. Die Schwüle verursachte ihr Kopfschmerzen. Sie entschuldigte sich nach dem Mittagessen und zog sich auf ihr Zimmer zurück. Dr. Sassen fand dies sehr vernünftig. Mit einem Syphon voll Sodawasser und einer Flasche Campari legte er sich in seinen Park und las. Oliver, der Siebenjährige, machte sich auch selbständig. Er besuchte mit Klassenkameraden eine Jugendfilmvorführung in Buschhausen.
Aber die Stille täuschte ein falsches Bild vor. Der Frieden über Buschhausen war auf trügerischen Sand gebaut. Die Wirklichkeit war erregender als der Roman, den Dr. Sassen, ab und zu gähnend, las. Kurt Holtmann traf sich mit Sabine Sassen, Dr. Waltraud Born lag in den Armen von Fritz Sassen, Barbara Holtmann bummelte mit Theo Barnitzki durch den Gruga-Park in Essen, und Veronika Sassen verließ durch den Heizkeller die Villa und ging, durchaus nicht mehr von Migräne geplagt, zu dem Birkenwald in den Halden.
Um die gleiche Zeit näherten sich aus verschiedenen Richtungen zwei Männer der verträumten Villa Dr. Sassens: Luigi Cabanazzi auf seinem Rad, voller Erwartung und pfeifend, und Dr. Bernhard Pillnitz, ernst, mit verschlossenem Gesicht, zu Fuß, die Hände tief in den Taschen seines Sakkos vergraben.
Dr. Pillnitz nahm die Hände erst heraus, als er zwischen den Büschen das Leuchten eines weißen Kleides bemerkte. Etwas erstaunt erhöhte er das Tempo seiner Schritte, blieb aber auf dem Weg stehen, als er Veronika Sassen erkannte. Auch sie bemerkte ihn. Angst glomm in ihren Augen auf. Sie sah sich mehrmals um, als sie auf ihn zukam. Damit ließ sie erkennen, daß sie noch mit jemand anderem rechnete, der auftauchen konnte. Kurz vor Dr. Pillnitz blieb sie stehen. Ihre graugrünen Augen waren abweisend.
»Welch ein Zufall!« sagte sie mit belegter Stimme.
»Es ist kein Zufall.« Dr. Pillnitz knackte nervös mit den Fingern. »Ich war auf dem Weg zu deinem Mann. Unter dem Vorwand, einen ärztlichen Bericht abzuliefern, wollte ich dich sehen. Daß ich dich hier treffen würde, ahnte ich allerdings nicht.«
Veronika sah sich wieder um. Wenn es ihn gleich nach dem Mittagessen hertreibt, muß er jeden Augenblick erscheinen, dachte sie. Es gibt eine Tragödie, wenn die beiden aufeinandertreffen. Sie war besorgt, in ihren Schläfen hämmerte das Blut.
Um diese Zeit schob Luigi Cabanazzi tatsächlich schon sein Rad durch das Hügelgelände, noch achthundert Meter weit von dem Birkenwald entfernt.
»Was sollen diese Kindereien?« fragte Veronika Sassen böse. »Mir aufzulauern –«
»Du bist anders als sonst.« Dr. Pillnitz wollte ihren Arm ergreifen, aber sie wich zurück, als ekle sie sich vor ihm.
»Laß das!« sagte sie hart.
»Ich habe versucht, dich viermal telefonisch zu erreichen. Immer hast du dich verleugnen
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