Die schöne Ärztin
einkaufen und dann habe ich gelesen.« Sie nahm seine große, schon etwas welke Hand und legte sie auf ihre Brust. Sie spürte, wie seine Finger unruhig wurden. Ein Lächeln glitt um ihre Lippen. »Es ist so langweilig, wenn du nicht da bist.«
»Die Pflicht, Kleines.« Dr. Sassen ließ seine Hand auf ihrer Brust ruhen. Eine solche Frau gehört mir, dachte er. Es ist nicht zu glauben, sie gehört ganz allein mir. »Was liest du denn da?«
»›Ein gewisses Lächeln‹ von der Sagan.«
»Gut?«
»Eine Frau liebt viele Männer …«
Er lachte und küßte sie auf die Augen. »Wie gut, daß du keine Romanheldin bist«, sagte er fröhlich und glücklich. »Ich glaube, ich brächte dich um, Kleines.«
Veronika schloß die Augen und atmete ruhig.
So etwas hat er noch nie gesagt, dachte sie. Ob er es wirklich tun würde?
Sie öffnete die Augen wieder. Er hatte sich über sie gebeugt und nickte ihr zu. »Ich bin wahnsinnig eifersüchtig«, sagte er leise.
»Du wirst nie einen Anlaß dazu haben.«
Eng umschlungen, wie Jungverliebte, gingen sie ins Haus.
Im Speisezimmer saß der kleine Oliver am Tisch und schrie:
»Ich habe Hunger!«
Pater Paul Wegerich hatte in den wenigen Tagen, die er in Buschhausen war, bereits von sich reden gemacht. Er hatte Frau Blondaski getröstet, war nach Gelsenkirchen ins Krankenhaus gefahren und hatte sich das Fluchen des Hauers angehört, dem beide Beine oberhalb der Knie abgenommen worden waren. Vor allem aber war er abends in den beiden Wirtschaften Buschhausens erschienen, in ›Onkel Huberts Hütte‹ und ›Zum Theodor‹, und hatte sich an den Tresen gestellt.
»Einmal Erntedank!« hatte er bestellt. »Ein Korn und ein Pils!« Der Wirt schob ihm die Gläser hin, etwas zögernd und nicht wissend, wie er sich verhalten sollte. An den Stammtischen wurden die Stimmen leiser. Die politischen Gespräche hörten auf. Wenn ein Schwarzer so mitten unter die Roten platzt, fällt es diesen nicht mehr so leicht, zu brüllen: »Scheiße! Ist ja doch alles Scheiße von denen!«
»Na, was denn?« Pater Wegerich sah sich um. Die Bergleute tranken bedächtig ihr Bier, sie waren plötzlich von einer Sanftheit, die man an ihnen nur kannte, wenn ihre Frauen im Kreißsaal lagen. »Als ich reinkam, sagte doch gerade einer von euch: ›Es müßte endlich die 30-Stunden-Woche eingeführt werden, dann hätte man Zeit, alle Schwarzarbeit zu schaffen …‹ Wie ist's nun damit?«
Die Püttmänner sahen sich an, grinsten und wandten sich wieder ihren Gläsern zu. Das haben wir nicht so gerne, dachten sie. Da kommt einer im schwarzen Rock und schnüffelt herum und nachher legt er in seiner Predigt los. Pater Wegerich lächelte belustigt. Er kannte seine Bergmänner und wußte, was sie in diesem Augenblick über ihn dachten.
»Noch'n Bier«, rief er und pochte mit dem Glas auf den Tresen. »Und damit ihr's wißt, Jungs, ich bin einer von euch. Ich kann wie ihr Scheiße sagen und bin nur im Gegensatz zu euch immer schwarz, nicht nur acht Stunden lang –«
Einige lachten und rückten näher heran.
»Herr Pater –«, sagte Willi Korfeck, nachdem er merkte, daß man gerade von ihm eine Reaktion erwartete.
»Ich heiße Paul«, sagte Pater Wegerich laut.
»Ich kann doch nicht, Herr Pater …«
»Wie heißt du denn?«
»Willi.«
»Also Willi, was kannst du nicht?« Pater Wegerich stieß mit seinem Bierglas gegen das von Korfeck. »Merkt euch das, ich habe in Belgien mit euren Kumpelbrüdern im Schacht gelegen, als der Schlamm einbrach, und in Frankreich habe ich auf der neunten Sohle Feuerwehrmann gespielt. Ich weiß also Bescheid. Ich kenne euch! Und ich will, daß ihr auch mich kennenlernt und Vertrauen zu mir gewinnt.« Er sah Korfeck wieder an und zwinkerte ihm zu. »Sag mal, bist du nicht ›Willis-Bums‹?«
Die Umstehenden lachten laut. Willi Korfeck wurde verlegen und sah sich wütend um.
»Paul … Herr Pater … ich …«
»Red nicht, Junge. Ich weiß, daß du gerne den starken Mann markierst, und ein Verhältnis mit der Martha Kwiatlewski von ›Onkel Huberts Hütte‹ haste auch –«
Willi Korfeck wurde rot und fuhr sich durch die Haare. Plötzlich fühlte er sich in Nöten und suchte nach Worten.
»Das ist so, Herr Pater …« Er sah sich um, weil die anderen grinsten. Man sollte sie alle in die Fresse hauen, dachte er. »Die Martha und ich … also, wir wollen ja heiraten … aber im Augenblick ist das so, daß –«
»Red nicht.« Pater Wegerich winkte. »Eine Runde, Wirt. Ich
Weitere Kostenlose Bücher