Die schöne Ärztin
geworden?« zischte Veronika Sassen.
»Ich hätte das längst veranlassen müssen.«
Veronika Sassen wurde bleich und stellte die Tasche mit dem Obst und dem Wein auf den Boden, wobei sie drohte: »Ich werde Sie vernichten, Sie kleine freche Kröte.«
Dr. Waltraud Born blieb ruhig, als sie antwortete: »Sie würden sich dabei auch selbst in die Luft sprengen …«
»Lächerlich! Ich werde meinem Mann sagen –«
»– daß Sie mit dem Italiener Cabanazzi ein Verhältnis haben? Nein, das werden Sie, glaube ich, ihm nicht sagen.«
Veronika Sassens haßerfüllte Augen schossen Blitze. »Sie vergessen ganz Ihr eigenes Glück, meine Liebe –«
»O nein. Ich habe mit Fritz gesprochen. Er will mit seinem Vater reden. Ich habe ihm dabei Ihr Treiben mit dem Italiener verschwiegen. Nicht Ihretwegen, mir tut Ihr Mann leid. Zwingen Sie mich aber nicht, meine Haltung zu korrigieren. So, ich glaube, wir verstehen uns. Verlassen Sie jetzt das Ordinationszimmer! Sie haben hier nichts mehr zu suchen!«
Veronika Sassen bückte sich und hob ihre Tasche vom Boden auf. Ihr Gesicht war steinern und bleich. Mit steifen Schritten ging sie zur Tür. Dort aber drehte sie sich noch einmal um.
»Das vergesse ich Ihnen nie!« sagte sie mit mühsam beherrschter Stimme. »Sie werden sich davon noch überzeugen können.«
»Guten Tag!« antwortete Dr. Born.
Veronika Sassen verließ das Zechengebäude und ging zurück zu ihrem Wagen. Sie fuhr aus dem Grubengelände hinaus, lenkte den Wagen über den holprigen Weg zum Italienerlager und fuhr an dem Stacheldraht entlang wieder hinaus zu der geteerten Straße.
Am Fenster seines Zimmers stand Cabanazzi und winkte verstohlen, als er den weißen Sportwagen langsam am Zaun vorbeifahren sah. Er hatte gewartet, er wußte, daß Veronika um diese Zeit kommen und – nachdem sie ihn nicht mehr im Krankenrevier antreffen würde – am Lager vorbeifahren würde.
Veronika hielt nicht an, sie winkte nicht einmal zurück, sie sah nur kurz hinüber zu dem Mann mit dem bloßen Oberkörper, um nicht noch hungriger und verlangender nach ihm zu werden, als sie es schon war.
Sie gestand sich ein, eine Niederlage erlitten zu haben, eine Niederlage, die alles andere überdeckte und die ihren Stolz maßlos verletzt hatte.
Dr. Pillnitz war ehrlich erfreut, als man ihm Waltraud Born meldete. »Herein mit Ihnen, schöne Kollegin!« rief er, seine Stimme klang allerdings schwach. Die diensthabende Krankenschwester mischte sich ein: »Nicht länger als zehn Minuten … Anordnung vom Chefarzt.«
»Ich bringe Ihnen Grüße von Emma II mit«, sagte Waltraud lachend, obwohl sie zutiefst erschrak. Dr. Pillnitz sah verheerend aus, ein Totenschädel, mit Haut überzogen. Die Augen lagen tief in den Höhlen, die Hautfarbe war gelblichweiß, die Nasenspitze glänzte wächsern.
Waltraud setzte sich auf die Bettkante und legte einen Blumenstrauß auf die Bettdecke.
»Sie sehen gut aus«, sagte sie. »Bald werden Sie mich wieder herumscheuchen …«
»Lügen Sie nicht, Mädchen. Unter Kollegen tut man das nicht.«
Waltraud gab es auf und fragte: »Wie ist der Unfall überhaupt passiert?«
Dr. Pillnitz schwieg eine Weile. Er schien zu schwanken, was er sagen sollte. Schließlich antwortete er: »Ich weiß es nicht … eine Windbö …«
»Aber an diesem Tage war doch herrliches Wetter!«
Dr. Pillnitz sah Dr. Born ertappt an.
»Hat man darüber gesprochen, Waltraud? Ehrlich, was sagt man? Ich gebe zu, es war eine Dummheit von mir, das mit der Windbö zu sagen. Aber mir fiel in der Eile nichts anderes ein, als die Polizei mich verhörte. Hinterher habe ich mich selbst einen Idioten genannt.«
»Und wie kam es wirklich? Hatten Sie getrunken?«
»Keinen Tropfen.« Das Gesicht Dr. Pillnitz' verfiel sichtlich noch mehr. Noch fünf Minuten, dachte Waltraud Born. Es strengt ihn furchtbar an, dieses Sprechen. Mein Gott, laß ihn stark genug sein, die Krisis zu überstehen.
»Übermüdet?«
»Nein.« Dr. Pillnitz schüttelte schwach den Kopf. »Was macht dieser Cabanazzi?« fragte er plötzlich.
»Ich habe ihn gestern ins Lager überstellt.«
»Warum?« Dr. Pillnitz sah Waltraud Born forschend an. »Warum so schnell?«
»Ich mußte es tun, um nicht länger eine Art Bordellmutter zu sein.«
»Eine was zu sein?«
Waltraud erzählte rasch das Nötige, um nicht in Zeitdruck zu geraten.
»Gott verdamm mich!« stieß daraufhin Dr. Pillnitz hervor. »Dieses Weib ist unglaublich. Der Teufel hole sie. Nun werde ich Ihnen auch
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