Die schöne Ärztin
Sassen. »Meine Tochter ist verwöhnt. Es muß ihr in der Ehe etwas geboten werden. Das stellt gewisse Anforderungen an ihren Mann. Ich weiß nicht, ob darüber zwischen Ihnen schon gesprochen worden ist …«
»Doch, Ihre Tochter meint, daß ich mich weiterbilden müßte.«
»Richtig.«
»Erst das Abitur, dann die Bergschule …«
»Soll ich Ihnen etwas ganz offen sagen …?«
»Ja.«
»Ich glaube nicht, daß Sie das schaffen.«
Kurt Holtmann zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Dann packte ihn die Wut. Er saß nicht hier, um sich von einem Angeber beleidigen zu lassen. Er richtete sich auf und legte los.
»Wissen Sie was«, sagte er, »ich will das alles gar nicht, ich pfeife darauf. Ich bin Hauer, das genügt mir. Ich werde ein Haus erben, wir haben einen Garten, zwölf Kaninchen, dreißig Tauben, wir ziehen unser Gemüse und unsere Kartoffeln selbst, wir setzen jedes Jahr neunzig Liter Obstwein an, ich habe als Hauer einen guten Verdienst, ich klebe die höchste Rentenstufe freiwillig dazu –, was wollen Sie mehr? Ich weiß, das ist alles Blödsinn in ihren Augen, darüber lachen Sie nur, aber vielleicht kommt der Tag, an dem ich auch über Sie lache …«
Dr. Sassen schwieg. Er trat an das große Fenster und blickte hinunter zum Zechenplatz. Links vom Eingangstor war ein breiter Parkplatz angelegt, Kühler an Kühler standen hier die Autos, alle Modelle in allen Farben. Früher hatten sie Fahrräder, dachte Dr. Sassen, und noch früher gingen sie zu Fuß. Jetzt kommen sie mit dem eigenen Wagen. Es hat sich wirklich vieles geändert in diesen paar Jahren. Auch die Menschen! Früher war es unmöglich, daß es ein junger Bergmann überhaupt nur gewagt hätte, die Tochter seines Chefs mit einem Blick zu belästigen.
»Schluß jetzt!« sagte Dr. Sassen hart. »Sie sehen wohl selbst ein, daß ich recht habe.«
»Nein!«
Dr. Sassen fuhr herum.
»Werden Sie nicht frech!« rief er zornig.
»Zwischen recht haben und recht bekommen ist ein Unterschied, Herr Direktor. Recht haben Sie nicht, aber recht bekommen Sie wahrscheinlich, obwohl da noch eine kleine Unbekannte in Ihrer Rechnung ist …«
»Welche Unbekannte?«
»Ihre Tochter Sabine.«
»Die überlassen Sie nur mir! Die bringe ich schon auf Vordermann!«
»An Ihrer Stelle wäre ich nicht so sicher. Man kann Liebe nicht so einfach verbieten.«
»Irrtum! Man kann es sehr gut! Ich werde es Ihnen vorexerzieren!«
»Sabine ist ein selbständiger Mensch, nicht Ihre Sklavin.«
»Wie modern, mich auf diese Tatsache hinzuweisen. Ich sollte Sie an die Luft setzen!«
»Ich gehe schon.« Kurt Holtmann wandte sich ab und verließ mit einem kurzen Gruß den Raum. Dr. Sassen dachte kurz nach, dann griff er zum Telefon und rief das Personalbüro an.
»Herr Dr. Bader bitte zu mir!« sagte er und legte gleich wieder auf. Dr. Bader war der Personaldirektor der Zeche Emma II.
Unruhig ging Dr. Sassen in seinem großen Büro hin und her, bis es klopfte und Dr. Bader eintrat. Ein kleiner, glatzköpfiger Mann mit einem unmodernen goldenen Kneifer auf der Nase.
»Hören Sie, Herr Bader«, sagte Dr. Sassen, nachdem er ihm einen Sessel angeboten hatte. »Wir beteiligen uns doch – das heißt, unser Konzern beteiligt sich – an den Entwicklungshilfen für Ceylon und Basuto-Land. Vor allem in Basuto-Land sollen nach unseren Erfahrungen die Kohlengruben modernisiert werden. Wissen Sie etwas darüber, ob im Zentralpersonalbüro Leute von uns für diese überseeischen Aufträge vorgesehen sind?«
»Ich habe noch keine näheren Informationen, Herr Sassen«, sagte Dr. Bader.
»Dann notieren Sie bitte, daß man den Hauer Kurt Holtmann anfordern soll.«
»Kurt Holtmann?« wiederholte Dr. Bader fragend.
»Ja. Melden Sie den Mann dem Konzern. Ein sehr fähiger, fleißiger, junger, starker Hauer mit besten Bergerfahrungen. Er wäre der richtige Mann, in Basuto-Land am Aufbau der afrikanischen Wirtschaft mitzuhelfen.« Dr. Sassen schob Dr. Bader seine Zigarrenkiste hin. Der Personalchef bediente sich, es war ihm eine Ehre, in dieser Form ausgezeichnet zu werden. »Sie verstehen, lieber Herr Bader, mir liegt persönlich sehr daran, daß Kurt Holtmann für diesen Auftrag berücksichtigt wird. Mir liegt persönlich daran!«
»Ich werde es sofort an den Konzern weitergeben, Herr Sassen.«
»Ich danke Ihnen, lieber Bader.« Dr. Sassen klopfte dem Personalchef von Emma II jovial auf die Schulter. »Dieser Kurt Holtmann hat es verdient, ein bißchen die Welt
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