Die schöne Ärztin
kennenzulernen und unseren Konzern zu repräsentieren.«
Zwei Jahre wird er unten in Südafrika bleiben, dachte Dr. Sassen zufrieden. Wer weiß, wie die Welt in zwei Jahren aussieht. In Basuto-Land, unter der glühenden Sonne Afrikas, wird die Erinnerung an Sabine verblassen, austrocknen.
Der zweite Besucher an diesem Tag war Pater Paul Wegerich. Es wurde eine kurze, aber knisternde Unterredung, denn jeder wußte, was er von dem anderen zu halten hatte.
»Man hat mir die Nummer entzogen«, sagte Pater Wegerich. »Ich durfte heute nicht einfahren.«
»Ich weiß.« Dr. Sassen hob bedauernd beide Hände. »Ich mußte es veranlassen.«
»Was hat Sie dazu gezwungen?«
»Die Richtlinien des Bergbaues. Sie kennen sie ja, Pater. Es sind strenge Richtlinien, nach denen wir zu handeln haben. Eines dieser Verbote lautet: Kein Nichtbergmann darf in die Grube einfahren, es sei denn zu Besichtigungen in Begleitung eines Steigers oder Bergingenieurs, und das auch nur mit Genehmigung der Zechenleitung. Die Gefahren unter Tage sind zu mannigfach und zu groß, als daß ich die Verantwortung übernehmen könnte, Sie, Pater, weiter vor Ort arbeiten zu lassen. Ich glaube, daß Ihnen dazu nicht die Einsicht fehlt.«
Pater Wegerich schwieg einen Augenblick. Er sah Dr. Sassen aus seinen wissenden Augen groß und forschend an. Dr. Sassen wich diesem Blick aus und wühlte in den Papieren auf dem Schreibtisch.
»Ich arbeite seit fünf Jahren im Bergbau«, sagte Pater Wegerich bedachtsam. »In Belgien, in Frankreich, im Saargebiet – Sie wissen es doch, Doktor.«
»Ich denke, Sie sind Priester?«
»Ein Priester unter Tage.«
»Gestatten Sie, daß ich diesen Begriff nicht akzeptiere und auch in meinen Bestimmungen, die sich mit der Bergsicherheit befassen, nicht finde.«
»Bergsicherheit. Das ist ein gutes Wort.« Pater Wegerich dachte an den zugemauerten Schacht und an die mangelhafte Belüftung dieses Stollens. »Sie haben meine Beobachtungen weitergegeben?«
»Natürlich. Ich habe sofort Messungen anstellen lassen. Der Methangasgehalt ist nicht übernormal.«
»Aber er ist vorhanden.«
»So wie im Körper Blut vorhanden ist, muß in einem Kohlenberg Methan vorhanden sein.«
»Das abgesaugt werden muß.«
»Was wir tun!«
»Aber nicht genügend.«
»Sehen Sie, das ist es!« Dr. Sassen setzte sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch. »Die Vorbedingung eines guten Arbeitsklimas, das Fundament eines geregelten Produktionsprozesses sind Ruhe und Arbeitskameradschaft. Ist Vertrauen in die Werksleitung. Auf Emma II war es bisher so: Arbeitnehmer und Arbeitgeber standen gemeinsam in einer Front. Es herrschten Ordnung und Zufriedenheit.« Dr. Sassens Stimme wurde plötzlich scharf. »Ich lasse mir diesen Arbeitsrhythmus nicht stören, ich lasse mir meine Leute nicht aufwiegeln, weder von kommunistischen Agitatoren noch von Männern, die eine Soutane tragen und im Namen Gottes zu handeln vorgeben! Verstehen wir uns?«
»Ihre Worte sind deutlich genug.«
»Damit dürfte ich Ihre Frage beantwortet haben, warum Sie nicht mehr einfahren können.«
»Und Sie glauben, mit dieser Maßnahme Ihren Kumpels den Zugang zur Wahrheit verwehren zu können?«
»Wahrheit?« Dr. Sassen wischte mit der Hand durch die Luft. »Lieber Pater Wegerich, was Sie als Wahrheit verbreiten wollen, ist nur Agitation. Ich habe mich erkundigt, bei Ihrem Bischof sogar: Ihre seelsorgerische Tätigkeit ist ambulant! Was Sie hier tun, ist eine Sonderberieselung, zu der Sie sich selbst den Auftrag gegeben haben. Gut, wenn es Firmen gibt, die damit einverstanden sind, ist das deren Sache. In meinem Betrieb genügt ein von der Kirche eingesetzter normaler Pfarrer, wie wir ihn immer gehabt haben.« Dr. Sassen sah den stillen Pater Wegerich verbissen an. »Ich habe auch Informationen aus Frankreich. Auch dort sind Ihre Kollegen nicht sehr beliebt, man kann schon sagen, sehr umstritten. Es hat Ärger genug mit ihnen gegeben. Der Arbeiterpriester als Aufwiegler der Arbeitnehmer – so etwas habe ich auf Emma II nicht nötig.«
»Um so mehr aber eine Modernisierung der Bergbelüftung!«
»Das überlassen Sie bitte den zuständigen Experten, Pater, wie ich Ihnen als Experte das Wort Gottes überlasse!« Dr. Sassen erhob sich und sah auf seine Armbanduhr. »Ich habe gleich eine Konferenz. Sie entschuldigen mich –«
»Es bleibt also bei meiner Aussperrung?«
»Ja.«
Pater Wegerich ging zur Tür. »Man wird mir nicht verwehren können, mit den Leuten zu
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